Um Energie zu sparen, ist Aerodynamik bei Flugzeugen und Autos wichtig. Techniken, die dies steuern, sind aber immer nur für einen bestimmten Geschwindigkeitsbereich ausgelegt. An einer flexibleren Methode arbeiten Forscher an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK). Sie haben dazu ein „intelligentes Material“ entwickelt, das seine Form dank eines sogenannten Formgedächtnis-Drahts automatisch anpasst.
Auch Lüftungs- und Heizungsanlagen sowie die Kühlung bei Sporthelmen ließen sich so einfach steuern. Ihr Material vermarkten sie in ihrem Start-up „CompActive“. Auf der Hannover Messe stellen sie es vom 24. bis 25. April am Stand „Young Tech Enterprises” (Halle 17, Stand B57) vor.
Vorbild Adlerflügel
Auf der Suche nach Beute kreisen Adler langsam in der Luft. Dabei sorgen ihre fächerförmig gespreizten Federn an ihren Flügelenden dafür, dass sie bei relativ niedriger Geschwindigkeit möglichst effizient unterwegs sind. Auch bei einem schnellen Sturzflug können sich die Tiere dank ihrer Flügel schnell an die neuen Bedingungen anpassen.
So flexibel wie der Adler ist die Luftfahrt noch nicht. Zwar gibt es Techniken, die helfen, die Effizienz zu verbessern. Dazu zählen etwa sogenannte Winglets, eine Art gebogene Verlängerung an den Spitzen der Tragflächen. „Ein weiteres Beispiel sind Turbulatoren“, sagt Dr. Moritz Hübler vom Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) an der TUK. „Dabei handelt es sich um eine Vielzahl kleiner Störflächen, die auf der Flügeloberfläche die Strömung stabilisieren. Sie ermöglichen es dem Piloten, langsamer zu fliegen.“ Allerdings handelt es sich in beiden Fällen nur um starre Bauelemente, die sich nicht automatisch während des Fluges anpassen. „Die Aerodynamik des Flugzeugs ist hier immer nur für bestimmte Geschwindigkeiten ausgelegt“, so Hübler weiter.
Ähnlich flexibel wie der Flügel des Adlers ist hingegen die Technik, an der Hübler und seine Kollegen arbeiten. Sie passt sich etwa automatisch an verschiedene Geschwindigkeiten und Temperaturen an.
Die Forscher setzen hierbei auf Drähte aus einer „Formgedächtnislegierung“, die aus einer Nickel-Titan-Verbindung besteht. „Die Wissenschaft beschreibt damit das Phänomen, dass diese Drähte nach einer Verformung wieder ihre alte Form annehmen“, erläutert Hübler. „Erwärmen sich die Drähte, zum Beispiel mithilfe eines elektrischen Stroms, ziehen sie sich zusammen.“ Aufgebracht sind die Drähte auf eine biegsame Platte aus Verbundwerkstoff. Ähnlich wie bei unserer Muskulatur führt ein Zusammenziehen der Drähte dazu, dass sich das Material krümmt.
„Unser aktives Material benötigt weniger Volumen und hat ein geringeres Gewicht gegenüber herkömmlichen Techniken, die zum Beispiel mit Druckluft oder elektrischen Motoren arbeiten. Es könnte als Modul auch auf vorhandene Bauteile aufgebracht werden“, so Patricia Schweitzer, die ebenfalls am Vorhaben beteiligt ist. „Je nach Anforderung können wir sie in verschiedenen Größen anfertigen.“ Den Materialaufbau haben sich die Wissenschaftler bereits patentieren lassen und entwickeln ihn in ihrem Start-up „CompActive“ zur Marktreife.
Zahlreiche Anwendungen
Mit diesem „intelligenten Material“ sind viele neue Funktionen denkbar, beispielsweise spalt- und knickfreie Flugzeugklappen, die sich automatisch an die Aerodynamik bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten anpassen und damit Energie sparen. In Flugversuchen konnten Forscher des IVW gemeinsam mit Partnern bereits zeigen, dass ihr Material auch bei Turbulatoren zum Einsatz kommen kann: Sie ließen sich einfach per Knopfdruck ausfahren. „Damit sind langsamere, steilere und sicherere Landeanflüge möglich, ohne dass die Effizienz leidet“, sagt Hübler.
Um den Spritverbrauch zu senken, ist auch bei Fahrzeugen ein ähnliches Einsatzgebiet möglich. „Die Technik ließe sich automatisch mittels bereits vorhandener Sensoren für eine jederzeit optimale Aerodynamik nutzen, egal ob man in der Stadt oder auf der Autobahn unterwegs ist“, so Hübler.
Ein weiteres Einsatzfeld sind Lüftungs- und Heizungsanlagen: Erwärmt sich die Luft, sorgt sie automatisch dafür, dass sich das Material verbiegt und sich etwa eine Lüftungsklappe öffnet, damit die Abwärme entweichen kann. Zudem eignet sich die Methode, um herkömmliche Heizungen vor Schmutz zu schützen. „Die Schlitze der Heizkörper benötigt man eigentlich nur wenige Monate im Jahr, damit sich die warme Luft verbreiten kann. Durch die Wärme ließe sich dies steuern und die Heizung wäre über den Großteil des Jahres geschlossen“, sagt Schweitzer. Auch beim Design für neuartige Lampen könnte die Technik Verwendung finden oder bei einem Kühlsystem für Schutzhelme im Sportbereich.
(Technische Universität Kaiserslautern, 13.04.2018 – NPO)