Mit dem Phänomen der Impulskäufe hat sich ein Team aus der Würzburger Psychologie beschäftigt. Genussmenschen handeln hier anders als Sicherheitsmenschen.
Bestimmt haben Sie sich selbst schon des Öfteren gesagt: „Diesmal kaufe ich nur, was ich brauche!“ Dann kamen Sie aber doch wieder mit Dingen heim, die nicht auf dem Einkaufszettel standen.
Wie kann man solche Impulskäufe verhindern? Mit dieser Frage befasste sich ein Team vom Lehrstuhl für Psychologie II der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Die Antwort ist nicht ganz einfach, sagt Psychologe Dr. Anand Krishna. Es komme ganz darauf ein, welcher Typ man ist: ein Genussmensch oder ein Mensch, der auf Sicherheit setzt.
Die Ergebnisse hat Anand Krishna mit seinen JMU-Kolleginnen Sophia Ried und Marie Meixner im Open-Access-Journal PLOS ONE veröffentlicht.
Mal kauft man aus Neugier, mal will man sich etwas gönnen
Manchmal kauft man spontan, aus reiner Neugier. Da ist zum Beispiel eine Leckerei, die man noch nie versucht hat. Oder man will sich etwas gönnen. Das kann der Schokoriegel, ein hübsches Dekostück fürs Wohnzimmer oder eine tolle Jeans sein.
Mal stellt sich dann wirklich Freude über den Spontankauf ein. Mal kommt das schlechte Gewissen: Das Geld ist doch sowieso schon knapp! Viele Menschen schaffen es allerdings, den Impuls, zum Schokoriegel zu greifen, zu unterdrücken. Und zwar dann, wenn sie sich gerade in einer Situation befinden, in der sie besonders sensibel für Risiken sind.
Dass bestimmte Kunden für Impulskäufe prädisponiert wären, könne man so nicht sagen, betont Dr. Krishna. Die bisherigen Forschungsergebnisse geben jedoch einen Anhaltspunkt, wie Menschen, die sich selbst vor solchen Käufen schützen wollen, vorgehen müssen.
Wie man sich vor Impulskäufen schützen kann
Genussmenschen, so der JMU-Psychologe, seien von ihrem Wesen her spontan. Geht es ihnen gut und sind sie auf Genuss geeicht, greifen sie auch spontan zu einem Artikel, der ihnen noch mehr Genuss zu verschaffen verspricht. Diesen Menschen genügt gleichzeitig ein relativ geringer Impuls, um sich vom Spontankauf abzuhalten: „Das kann zum Beispiel ein kleiner Zettel im Geldbeutel sein, auf dem ‚Stopp!‘ oder etwas Ähnliches steht“, sagt Krishna.
Dann sind da die Sicherheitsmenschen. Bei ihnen würde ein mahnender Zettel im Geldbeutel nicht helfen. Sicherheitsmenschen brauchen Zeit. Und zwar generell: Auch der Spontankauf geschieht bei ihnen nicht so rasch. „Schmeckt das echt so lecker, wie es aussieht?“ Solche Gedanken gehen ihnen beim Anblick einer feinen Schokolade vielleicht durch den Kopf. Auch für das „Nein!“ zur Leckerei brauchen sie mehr Zeit. Ihnen scheint es eher zu helfen, wenn sie beim Gang durch den Laden öfter auf einen Zettel blicken, auf dem steht: „Kein Impulskauf heute!“
Sicherheitsmenschen brauchen einen Tick länger
Die Forschungsergebnisse sind vor dem Hintergrund interessant, dass man eigentlich denken könnte: Sicherheitsmenschen vermeiden grundsätzlich eher Spontankäufe. Aber dem ist nicht so. Sind sie gerade in einer positiven Motivationslage, werden sie genauso stark dazu verleitet, sich etwas Gutes zu gönnen wie Genussmenschen. Der große Unterschied besteht darin, dass sie – egal, was sie am Ende tun – kognitiv einen Tick länger brauchen, um zu handeln.
Diese Erkenntnisse stammen aus einem Laborversuch mit rund 250 Probandinnen und Probanden. Zwei Experimente wurden durchgeführt.
Die Ergebnisse sind fürs Marketing, aber auch für den Verbraucherschutz interessant. „Letzteres deshalb, weil Impulskäufe ein problematisches und für viele Menschen unerwünschtes Verhalten darstellen können“, sagt Anand Krishna. Um zu helfen, ist es wichtig, zu wissen, dass es zwei Typen von Menschen gibt. Dass unterschiedliche kognitive Prozesse unterschiedliche Methoden zur Verhinderung von Impulskäufen nötig machen. Und vor allem, dass die aktuelle Situation eine große Rolle spielt.
Emotionaler Zustand spielt eine wichtige Rolle
Er habe sich die Belohnung in Form einer neuen Jeans redlich verdient, denkt der Genussmensch – und kauft spontan, wenn er sich, wie man das in der Psychologie nennt, in einem „Annäherungsmodus“ befindet. „Vielleicht hat er kurz zuvor Eiscreme gegessen, ist also positiv gestimmt, und nutzt die Chance, sich noch mehr Genuss zu verschaffen“, erläutert der JMU-Forscher.
Anders sieht es aus, wenn der Genussmensch gerade von einem Gespräch in seiner Bank kommt. Trotz seiner prinzipiellen Genussorientierung sind in seinem Kopf just die Risiken zu großer Geldausgaben aktiv. Er unterdrückt seinen Impuls und geht an der tollen Jeans vorüber. Ohne viel Zeit zur Reflexion zu brauchen.
Waren, die bestimmte Kundinnen und Kunden an einem Tag mit Kusshand nehmen, bleiben also am anderen Tag liegen. Das legen die Ergebnisse aus der Würzburger Psychologie nahe. Und zwar unabhängig davon, wie sie präsentiert werden. Denn es scheint darauf anzukommen, in welchem emotionalen Zustand die Kundschaft den Laden betritt.
Noch offen ist die Frage, was sicherheitsorientierte Kunden tun, wenn sie unter Zeitdruck handeln müssen. Also wenn sie zum Beispiel den Schokoriegel nicht kaufen wollen, weil sie am Morgen auf der Waage standen. Und die zwei Kilo zu viel angezeigt hat. Möglicherweise greifen sie dann, wenn es an der Kasse husch, husch gehen muss, dennoch zur Süßigkeit. Weil nicht genug Zeit zum Reflektieren bleibt. Aber um das zu klären, sind weitere Experimente nötig. (PLOS ONE, 2021; doi: 10.1371/journal.pone.0253634)
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg