Psychologie

(K)eine Liebe auf den ersten Blick?

Wie unser Gehirn entscheidet, ob wir uns an einem neuen Arbeitsplatz wohlfühlen

Young Man Meeting Colleague at New Job
Neuer Job – und immer die Frage „werde ich mich hier wohlfühlen?“. Wie die Antwort lautet, hängt hauptsächlich davon ab, wie gut der Arbeitgeber verschiedenen emotionalen Punkten entspricht. © stock.adobe.com, Seventyfour

Deutsche Arbeitnehmer wechseln durchschnittlich alle vier Jahre den Arbeitgeber. Naturgemäß hoffen in solchen Fällen beide Parteien, „den Richtigen“ gefunden zu haben. Doch speziell aus Arbeitnehmersicht steht hinter diesem Empfinden eine komplexe Verkettung aus etwas rationalem und viel emotionalem Denken.

Wirtschaftlichkeit vs. persönliches Empfinden: Der nicht so kleine Unterschied zwischen Firma und Arbeitnehmer

Ob Arbeitnehmer und Arbeitgeber harmonieren, mag augenscheinlich nach vergleichbaren Mechanismen funktionieren. Tatsächlich ist es jedoch völlig anders – denn Arbeitnehmer bewerten meist völlig anders als ihre neue Firma:

  • Arbeitgeber:
    Für ihn entscheidet ganz primär, ob der neue Mitarbeiter nach unternehmerischen Gesichtspunkten „passt“. Das bedeutet, auf den kleinsten Nenner heruntergebrochen, ob er mehr einbringt als er kostet. Das Zwischenmenschliche spielt (Ausnahmen bestätigen die Regel) nur insofern eine Rolle, wie es für besagtes Passen erforderlich ist. Ob jedoch beispielsweise ein Geschäftsführer einen hervorragend arbeitenden Mitarbeiter menschlich leiden kann, ist von untergeordneter Bedeutung – wenigstens, solange das Teammitglied den unternehmerischen Gesichtspunkten entspricht.
  • Arbeitnehmer:
    Er wird zwar ebenfalls auf einige nüchterne wirtschaftliche Fakten blicken – vornehmlich das Gehalt. Bei ihm werden jedoch persönliche Faktoren eine erheblich größere Rolle spielen. Denn für einen Arbeitnehmer läuft es im Endeffekt darauf hinaus, sich Tag für Tag oder wenigstens in der Gesamtbetrachtung in der neuen Firma wohlzufühlen.

Für Arbeitgeber entsteht dadurch eine Chance. Sie können verschiedene Maßnahmen treffen, um einen Arbeitsplatz hinsichtlich jener persönlicher Faktoren zu optimieren. Dazu sei allein darauf verwiesen, welch hochkomplexes Zusammenspiel es zwischen der Gestaltung der Arbeitsumgebung und der psychologischen menschlichen Wahrnehmung gibt. Damit wären wir auch bereits beim ersten Punkt, auf den das Arbeitnehmergehirn Wert legt.

Die Arbeitsumgebung aus architektonisch-stilistischer Sicht

Eines der besten Beispiele für die höchst unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe von Arbeitgebern und Arbeitnehmern dürfte das in viele kleine Kabinen unterteilte Großraumbüro sein. Schon die umgangssprachlichen englischen Bezeichnungen geben einen Hinweis darauf – nämlich Cube Farm und Bullpen. Beides starke Vergleiche mit der Batteriehaltung von Nutztieren und nur für sehr wenige Menschen eine Umgebung, in der sie sich wohlfühlen.

Dieses Wohlfühlen hat einen durchaus rationalen Hintergrund: Vollzeitbeschäftigte befinden sich gut ein Drittel eines jeden Wochentages am Arbeitsplatz. Das ist für viele mehr als sie (wach) zuhause verbringen. Ergo muss es vor Ort zwangsläufig eine Wohlfühlatmosphäre geben. Für alles andere ist der Arbeitsplatz schlicht zu dominierend.

Manches davon mag so individuell sein wie der jeweilige Einrichtungsgeschmack. Jenseits davon existieren allerdings viele Gemeinsamkeiten. Also Dinge, die viele Menschen als angenehm empfinden. Dazu gehören etwa

  • Pflanzen,
  • Tageslicht,
  • Platzverhältnisse,
  • Privatsphäre oder
  • soziale Interaktionsmöglichkeiten.

So kann es beispielsweise in einem Büro bereits einen gewaltigen Unterschied machen, ob der Computerbildschirm sich andauernd im Blick von Kollegen oder gar Vorgesetzten befindet. Schlicht, weil damit das Gefühl einer dauernden Beobachtung und somit Bewertung der Arbeit einhergeht.

Arbeitgeber tun deshalb gut daran, die Räumlichkeiten streng nach einem „lebenswerten“ Maßstab zu gestalten. Denn mit der damit verbundenen Zufriedenheit gehen automatisch positive wirtschaftliche Aspekte einher – etwa Leistungsfähigkeit.

Shot of a group of colleagues working together in an office.
Bei der Präsenzarbeit spielt die Arbeitsplatzgestaltung nach wie vor eine immense Rolle hinsichtlich der Wohlfühlatmosphäre. © stock.adobe.com, Yuri Arcurs/peopleimages.com

Das allgemeine Firmen- bzw. Arbeitsklima

Das Betriebsklima ist einer jener Faktoren, die sich aus sehr vielfältigen Bausteinen zusammensetzen. Die generelle Stimmung des Teams spielt hier ebenso eine Rolle wie das Verhältnis (und die Tonalität) zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oder der empfundenen Leichtigkeit bzw. Erschwernis bei der Bewältigung von Aufgaben.

Ebenso handelt es sich hierbei um etwas, das besonders auf mittel- bis langfristige Sicht entscheidet, ob das Gehirn sich wohlfühlt. Wohl kann die allgemeine Stimmung bereits am ersten Arbeitstag ein Indikator sein. Ob das Betriebsklima jedoch im Durchschnitt wirklich angenehm ist, kann nur die Zeit zeigen.

Daher bringt es auch nur wenig, wenn ein Team sich bei der Einstellung neuer Kollegen etwas forciert gutgelaunt und offen gibt. Viel entscheidender ist, wie es in den weiteren Tagen und Wochen aussieht. Führungskräften kann man daher nur raten, dauerhaft in dieses Klima zu investieren. Denn es ist einer der wichtigsten Gradmesser, der über die emotionale Bindung an einen Arbeitgeber entscheidet.

Mit anderen Worten: In einer Abteilung mit hervorragendem Klima arbeitet man selbst dann gern, wenn vielleicht andere Aspekte nicht so optimal sind.

Die Art und Weise der Tätigkeiten

Jeder Arbeitsvertrag muss eine Tätigkeitsbeschreibung beinhalten. Dennoch wissen die meisten Arbeitnehmer (insbesondere in kleineren Firmen), dass im Alltag manches in den Aufgabenbereich fallen kann, was im Jobprofil nicht explizit erwähnt wurde. Das an sich ist kein generelles Problem. Es kommt jedoch im Höchstmaß auf das Gesamtbild an. Dieses setzt sich aus folgenden Punkten zusammen:

  • Die empfundene Sinnhaftigkeit der Arbeit. Also unter anderem das Gefühl, mit seiner Leistung etwas zu tun, das über die reine Erwerbstätigkeit hinausgeht.
  • Die Deckungsgleichheit der Tätigkeiten mit den eigenen Fähigkeiten.
  • Die Anstrengung, die nötig ist, um Aufgaben zu erledigen – hier spielen nicht zuletzt die Prozesse in der Abteilung sowie das kollegiale Miteinander eine gewichtige Rolle.

Das heißt, es ist nicht nur wichtig, hauptsächlich Arbeiten zu verrichten, die einem persönlich liegen. Ebenso spielt es beispielsweise eine Rolle, wie gut die Arbeit von der Hand geht und ob man darin einen tieferen Zweck erkennen kann.

Das ist nicht zuletzt beim Recruiting relevant: Wer im Stellenprofil und Bewerbungsgespräch einen gänzlich anderen Eindruck von den Tätigkeiten bekam, als sich im realen Arbeitsleben zeigt, der wird zurecht einen negativen Eindruck erhalten.

Junger Mann beim Warten auf den Bus
Was das Pendeln anbelangt, ist die „Zufriedenheitsformel“ simpel: Je kürzer und weniger anstrengend, desto besser. © stock.adobe.com, Peak River

Zeit und Distanz des Pendelns

Hierbei haben wir es mit einem Punkt zu tun, der gleichermaßen in vielen Studien von Arbeitnehmern als sehr wichtig benannt wird, aber an dem Arbeitgeber ihrerseits nur verhältnismäßig wenig ändern können.

Einfach gesprochen: Die meisten Menschen können dem Pendeln nicht viel abgewinnen. Dafür gibt es drei Gründe:

  • Es geht von der Freizeit ab, nicht der Arbeitszeit, obwohl es zu letzterer gehört.
  • Es ist ebenso nötig, dafür private Geldmittel aufzuwenden, primär vom Netto-Gehalt.
  • Es ist während dieser Zeit nur wenig möglich, um diese angenehmer und/oder sinnstiftender zu gestalten.

Hierzu sei ein Blick in den regelmäßig aktualisierten Pendleratlas der Arbeitsagentur empfohlen.

Eingedenk der Tatsache, dass das Pendeln zudem eng mit der empfundenen Gehaltsmenge sowie der Work-Life-Balance zusammenhängt, sollten Arbeitgeber insbesondere bei neuen Mitarbeitern mit langen oder komplizierten Pendelwegen stets offen für Lösungen sein. Beispiele dafür sind etwa Tank- und vergleichbare Mobilitätsgutscheine oder Remote-Work-Regelungen.

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