Krach macht krank: Die Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO „Burden of disease from environmental noise“ kam bereits 2011 zu dem Ergebnis, dass Lärm weltweit das zweitgrößte Gesundheitsrisiko darstellt. Für die Architektur stellt sich die Frage, ob in Großstädten die Fassadengestaltung die Lärmbelastung beeinflusst und ob akustisch wirksame Fassaden den Lärm signifikant verringern können. „Die Architektur kann über die Gebäudehülle einen Beitrag zur leiseren Stadt leisten“, sagt Prof. Holger Techen, Professor für Tragwerkslehre und Baukonstruktion an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Dies ist das Ergebnis seines Forschungsprojekts „Akustische Wirksamkeit von Fassadenoberflächen und -strukturen im Hinblick auf eine akustische Bewertung des Außenraumes/Stadtraumes an der Empfängerposition“.
Eine Forschungsgruppe des Fachbereichs Architektur, Bauingenieurwesen und Geomatik der Frankfurt UAS um Prof. Holger Techen und Dr.-Ing. Jochen Krimm hat im Rahmen der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ untersucht, wie sich akustische Räume in der Stadt bilden und wie man nicht nur quantitativ, wie bisher in den Regelwerken üblich, sondern auch qualitativ Stadtsituationen in Abhängigkeit der umgebenden Bebauung lärmtechnisch beurteilen kann. Zu diesem Zweck führte das Team drei Monate lang Lärmmessungen mit verschiedenen Fassadentypen an sechs Messstationen in Frankfurt am Main durch und wertete diese aus; es nutzte dazu ein mobiles Akustiklabor, das „Urban Acoustic Facade Lab“, sowie modifizierte Fassaden-Mock Ups, d.h. verschiedene Modelle. Die aus den vorherigen Forschungstätigkeiten gewonnenen Erkenntnisse wurden so auf ihren Effekt in der Realität überprüft.
Fazit: „Die Feldmessungen im Rahmen dieses Forschungsprojektes haben gezeigt, dass geometrisch strukturierte Fassaden den Lärmpegel im umgebenden Stadtraum beeinflussen“, so Techen. „Das Austauschen der glatten, schallharten Fassade durch geometrisch modifizierte Testfassaden führte zu Pegelreduzierungen von bis zu 4 Dezibel für einzelne Frequenzbänder.“ Die Messwerte belegen laut Techen, welche Potenziale in der Fassade für die Gestaltung einer leiseren Stadt noch nicht abgerufen werden. „An Beispielen der aktuellen Neubauprojekte in Frankfurt am Main lässt sich erkennen, dass der Effekt des zusätzlichen Lärmeintrags in den Stadtraum durch Reflektion an großen schallharten Fassadenflächen bislang nicht berücksichtigt wird“, sagt der Wissenschaftler.
Einordnung in bisherige Forschungsergebnisse
Das Forschungsprojekt baut auf Erkenntnissen aus vorherigen Forschungstätigkeiten auf. Laut Techen gibt es zwar eine Vielzahl von Untersuchungen zum Thema Schallausbreitung im städtischen Raum. „Aber dabei handelt es sich um zweidimensionale Simulationen, die noch dazu für Gebäude mit maximal acht Geschossen geführt wurden. Sie lassen sich damit nur auf Randgebiete der Großstädte übertragen.“ In Frankfurt am Main existieren aktuell 109 Hochhäuser mit einer Höhe von über 50 Metern. „Um im Rahmen der aktuellen Bautätigkeit und im Kontext innerstädtischer Nachverdichtung in den Metropolen lärmmindernde Maßnahmen definieren zu können, braucht es Untersuchungen, die sich mit dem Verhalten von Hochhausfassaden beschäftigen“, so Techen. Da es bei seinem Forschungsvorhaben um Ansätze für zu realisierende Projekte ging, mussten die Messungen die Einflüsse mehrerer Schallquellen – Verkehrslärm von Straße, Straßenbahn, Schiene und Flugverkehr – erfassen.