Magnetische Skyrmionen und Antiskyrmionen sind mikroskopisch kleine Wirbel, die in bestimmten magnetischen Materialien auftreten. Diese Nano-Objekte könnten als digitaler Informationsträger genutzt werden – je nach Anwesenheit oder Abwesenheit in einem magnetischen Streifen. Ein Forschungsteam der Max-Planck-Institute (MPI) für Mikrostrukturphysik in Halle und für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und hat nun entdeckt, dass beide Wirbel in bestimmten Materialien koexistieren können, was das Speicherpotential weiter erhöht.
Durch die drastisch gestiegene Anzahl an elektronischen Geräten hat sich der Bedarf an Speicherplatz in den letzten Jahren dramatisch erhöht. Mit herkömmlichen Speicher-Technologien ist es schwierig geworden, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Gleichzeitig steht der hohe Energieverbrauch dieser Technologien – hard disk drives (HDD) und random-access memories (RAM) – einer „grünen Zukunft“ im Weg. Daher werden komplett neue, leistungsfähigere Speicher mit einem geringeren Energieverbrauch benötigt.
Ein vielversprechendes Konzept ist der magnetische „Racetrack“-Datenspeicher. Er besteht aus einzelnen nanoskopisch kleinen magnetischen Streifen (den „Racetracks“), in denen die Information über magnetische Nano-Objekte gespeichert ist – zum Beispiel über die Anwesenheit oder die Abwesenheit gleichartiger Objekte an bestimmten Positionen. Ein möglicher Informationsträger ist das magnetische (Anti-)Skyrmion. Es ist ein enorm stabiler Wirbel der Magnetisierung mit einer variablen Größe zwischen Mikrometern und Nanometern. Die einzelnen Objekte können geschrieben, gelöscht, gelesen und mit Strömen bewegt werden. Das heißt, der Speicher arbeitet ohne bewegliche Teile. „Indem man mehrere Racetracks übereinanderstapelt, erhöht sich die Speicherkapazität drastisch verglichen mit solid-state drives (SSD) oder hard disk drives (HDD). Weiterhin arbeitet der Racetrack-Speicher mit einem Bruchteil der Energie herkömmlicher Speichereinheiten. Er ist wesentlich schneller, kompakter und zuverlässiger“, erklärt Prof. Dr. Stuart Parkin, Direktor des MPI für Mikrostrukturphysik in Halle und Alexander von Humboldt-Professor an der MLU.
„Skyrmionen und Antiskyrmionen sind ‚entgegengerichtete’ magnetische Wirbel. Bis vor Kurzem ging man davon aus, dass diese beiden Objekte nur in unterschiedlichen Materialklassen auftreten können”, erklärt Prof. Dr. Ingrid Mertig vom Institut für Physik der MLU. Das Forschungsteam der Max-Planck-Institute in Halle und Dresden und der MLU hat nun jedoch entdeckt, dass Skyrmionen und Antiskyrmionen unter bestimmten Bedingungen sogar in ein und demselben Material koexistieren können. Dr. Börge Göbel, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Mertigs Forschungsgruppe, lieferte die theoretische Erklärung für die unerwartete Entdeckung, die von Jagannath Jena aus Parkins Gruppe gemessen wurde. Die verwendeten Materialien, sogenannte Heusler Verbindungen, wurden von Dr. Vivek Kumar in der Gruppe von Prof. Dr. Claudia Felser am MPI in Dresden hergestellt.
Skyrmionen und Antiskyrmionen werden üblicherweise in verschiedenen Materialien durch eine magnetische Wechselwirkung stabilisiert, die direkt mit der Struktur des Materials zusammenhängt. In manchen Materialien können nur Skyrmionen auftreten, in anderen Materialien begünstigt diese Wechselwirkung das Auftreten von Antiskyrmionen. Was jedoch bisher übergangen wurde: Die einzelnen Magnete einer Probe (die sogenannten „magnetischen Dipole“) interagieren auch über die Dipol-Dipol-Wechselwirkung miteinander. Diese Wechselwirkung begünstigt stets das Entstehen von Skyrmionen, weshalb jedes „Antiskyrmionen-Material“ prinzipiell auch Skyrmionen aufweisen kann (jedoch nicht umgekehrt). Das passiert vor allem bei niedrigen Temperaturen. Bei einer kritischen Übergangstemperatur können Skyrmionen und Antiskyrmionen sogar koexistieren.
Neben ihrer fundamentalen Relevanz ist diese Entdeckung für die Weiterentwicklung des Racetrack-Speichers bedeutsam. Eine Bit-Sequenz könnte als eine Folge von Skyrmionen (‚1‘ Bit) und Antiskyrmionen (‚0‘ Bit) gebildet werden. Verglichen mit einem herkömmlichen Racetrack-Speicher verspricht dieses Konzept eine erhöhte Zuverlässigkeit. (Nature communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-14925-6)
Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg