Ein wichtiger Forschungserfolg für die Lebensmittelsicherheit: An der TU Wien ist es gelungen, jene Stoffwechselprodukte im Labor herzustellen, die Pflanzen, Tiere und Menschen aus Schimmelpilzgiften erzeugen.
Ob wir wollen oder nicht: Getreideprodukte, die wir tagtäglich zu uns nehmen, enthalten Schimmelpilzgifte, sogenannte Mykotoxine. Für die Messung ihrer Konzentration gibt es bereits etablierte Tests. Im Stoffwechsel werden die Toxine allerdings teilweise chemisch verändert, sodass sie bei Routineanalysen unerkannt bleiben. An der TU Wien ist es nun gelungen, diese sogenannten „maskierten Mykotoxinie“ im Labor zu synthetisieren. Nur dadurch erhält man ausreichende Mengen an Referenzmaterial um die Giftstoffe genauer untersuchen zu können und Nachweismethoden für sie zu entwickeln. Wichtig ist das nicht nur für die Lebensmittelsicherheit, sondern auch für die Agrarwissenschaften und die Toxikologie dieser Verbindungen.
Gift wird im Stoffwechsel verändert
„Sowohl Pflanzen als auch Tiere und Menschen haben die Fähigkeit, Schimmelpilzgifte im Zuge des Fremdstoffmetabolismus biochemisch zu verändern. Zum Beispiel indem an die Mykotoxine Zucker wie Glucose oder Glucuronsäure angehängt werden“, sagt Hannes Mikula. So entstehen die sogenannten „maskierten“ oder „konjugierten Mykotoxine“. Die Giftstoffe werden dabei aber nicht zerstört und können daher wieder in die ursprüngliche Form zurückgewandelt werden, nachdem sie mit der Nahrung aufgenommen worden sind.
Die Stoffwechselprodukte, die der Mensch aus den Schimmelpilzgiften erzeugt, beispielsweise sogenannte Glucuronide, sind von ganz besonderem Interesse: Da sie über den Urin ausgeschieden werden, lässt sich durch die Bestimmung dieser sogenannten Biomarker feststellen, wie viel Schimmelpilzgift eine Person insgesamt über die Nahrung aufgenommen hat.
Künstliche Herstellung statt Gewinnung aus der Natur
Um die maskierten Schimmelpilzgifte zu analysieren und um ihre Giftigkeit untersuchen zu können, müssen sie in größeren Mengen zur Verfügung stehen. „Die maskierten Mykotoxin-Konjugate werden einerseits als Referenzmaterialien in der Bioanalytik und andererseits auch für toxikologische Untersuchungen verwendet“, erklärt Hannes Mikula. Dafür lassen sich aus dem Urin keine ausreichend großen Mengen an humanen Stoffwechselprodukten isolieren – zur Synthese im Labor gibt es daher keine Alternative.
Schwierig ist die synthetische Herstellung dieser Substanzen nicht zuletzt deshalb, weil die Zuckerverbindungen, mit denen man es hier zu tun hat, an vielen unterschiedlichen Reaktionen beteiligt sein können. „Mit Hilfe von Modell-Molekülen, die sich ähnlich verhalten wie die entsprechenden Mykotoxine, aber leichter und billiger herzustellen sind, konnten wir im Laufe der letzten Jahre optimierte Synthesemethoden für unterschiedliche Zielverbindungen erarbeiten“, berichtet Hannes Mikula. Nun können viele Milligramm oder sogar Gramm der gewünschten Substanzen innerhalb von wenigen Tagen hergestellt werden – in pharmakologischen Maßstäben eine beträchtliche Menge.
Die Welt der Zucker
„Ganz bewusst wollten wir nicht bloß ein bestimmtes Produkt synthetisieren, sondern möglichst viel über die Synthesechemie von derartigen Zuckerverbindungen lernen“, sagt Hannes Mikula. Die Forschungsergebnisse sind für mehrere Schimmelpilzgifte anwendbar. Auch in vielen anderen Forschungsgebieten spielt die Zuckerchemie (Glykochemie) eine ganz entscheidende Rolle, etwa bei der Diagnose von Stoffwechselerkrankungen bei Neugeborenen oder bei der Suche nach Krebs-Zellen. Auch auf diesen Gebieten forscht das Team rund um Hannes Mikula bereits an der TU Wien.
Hannes Mikula wird demnächst seine Dissertation in der Forschungsgruppe von Prof. Johannes Fröhlich abschließen (Arbeitsbereich: „Health & Environment“). Dieses Forschungsteam hat sich in den letzten Jahren unter anderem auch ganz besonders auf das Thema Zucker fokussiert. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch Studierende des Doktoratsprogrammes „Applied Bioscience Technology“. „Glykochemie ist mit Sicherheit ein kompliziertes Forschungsgebiet, sowohl theoretisch wie auch praktisch. Aber es ist eben auch eines, das ein besonders breites Spektrum an Anwendungen eröffnet“, meint Mikula. Das Team pflegt enge Kooperationen mit vielen anderen Forschungseinrichtungen, unter ihnen die Universität für Bodenkultur, das IFA-Tulln, die Medizinische Universität Wien und das Austrian Institute of Technology (AIT).
Hannes Mikula erhielt für seine Forschung im Jahr 2011 bereits den Theodor Körner Preis, nun wurde seine Arbeit erneut ausgezeichnet: Das Fachjournal „World Mycotoxin Journal“ prämiert jedes Jahr die beste wissenschaftliche Publikation des Jahres. Aus den Veröffentlichungen des Jahres 2012 wurde nun die Arbeit von Hannes Mikula und seinen KollegInnen mit dem „Best Paper Award“ prämiert.
(Technische Universität Wien, 26.02.2013 – NPO)