In unserer modernen Welt sind nicht nur wir als Verbraucher, sondern wirklich jeder darauf angewiesen, dass die wohl beste, größte und globalste Maschinerie der gesamten Menschheitsgeschichte jederzeit mit der Präzision eines sprichwörtlichen Schweizer Uhrwerks läuft. Dass es jedoch heute überhaupt möglich ist, ständig zig-millionen logistische Faktoren mit Milliarden Einzelprodukten in einem solchen Takt zu halten, wäre ohne einige Erfindungen und vergleichbare Meilensteine vollkommen undenkbar. Doch was ist es, was unsere heutige Logistik erst ermöglicht und ohne das wir urplötzlich wieder bestenfalls auf mittelalterlichem Niveau leben müssten? So viel sei bereits verraten: Es ist deutlich mehr als „nur“ das Rad, die Eisenbahn oder der Verbrennungsmotor.
Das Militär
Es mag definitiv nicht angenehm sein, aber leider stimmt es, dass der Krieg der Vater aller Dinge ist – auch was Erfindungen anbelangt, die sich ins Zivilleben erstrecken. Tatsächlich sind militärische Zwecke sogar die Grundlage für die gesamte Logistik als solche. Und das seit beinahe Menschengedenken.
Denn nur, weil erste Hochkulturen damit begannen, Krieg gegen andere Völker zu führen, entstand überhaupt die Notwendigkeit, große Mengen an Menschen, Material und Verpflegung zu bewegen. Und dazu, sie möglichst ressourcenschonend und trotz unterschiedlicher Wege und Transportmittel zeitgenau an einem Ort eintreffen zu lassen.
Letzten Endes gehören deshalb Alexander der Große, Attila, Hannibal und ähnliche Personen nicht nur zu den frühesten bedeutenden Heerführern, sondern den Vordenkern und Genies einer Logistik, die besonders für damalige Verhältnisse phänomenal war. Und dass die Römer damals in Krieg und Frieden bereits wahre Meister in der Versorgung eines Riesenreiches und einer ebensolchen Armee waren, zeigt sich nicht nur an den Straßen, die sie damals quer durch die bekannte Welt bauten.
Übrigens zieht sich dies sogar bis in unsere Zeit hinein: Während des Zweiten Weltkrieges beispielsweise wurden 2710 sogenannte Liberty Frachter gebaut. Sie sicherten im Krieg den Westalliierten gigantische Transportkapazitäten – 835 Stück der einfachen Frachter bildeten danach den Kern einer rasch das Vorkriegsniveau übersteigenden globalen Handelsflotte.
Der Gabelstapler
Wer jemals schon die gigantischen Hallen gesehen hat, in denen viele Güter teils nur wenige Stunden oder einige Monate auf Verkauf, Versand oder Einsatz warten, der dürfte sich auch schon vorgestellt haben, wie solche Hallen aussähen, wenn es keine Gabelstapler gäbe.
Doch es ist nicht nur das Prinzip der beiden Zinken, die per Hydraulikkraft geradezu unmenschliche Lasten in ebensolche Höhen befördern können. Es ist darüber hinaus die Tatsache, dass es passendes Gerät für zahlreiche verschiedene Anforderungen der Logistik gibt. Egal ob elektrischer Hubstapler für den Halleneinsatz oder dieselbetriebener Containerstapler für Häfen: Gäbe es den Stapler nicht, hätte die Logistik ein gewaltiges Problem, denn sie würde um ein Vielfaches länger dauern.
Allerdings ist selbst der Stapler nur ein so wichtiges „Zahnrad“ der modernen Logistik, weil es zwei andere Erfindungen gab, die mit ihm korrelieren. Die erste davon:
Die genormte Palette
Viele wichtige Erfindungen erscheinen schnell trivial. Im Falle der Palette sogar so trivial, dass sie seit einigen Jahren ein beliebtes Heimwerkerobjekt ist, um draus Möbel herzustellen.
Gäbe es jedoch keine Paletten, hätten wir ein veritables Problem. Denn das Prinzip ist einzigartig:
- Eine Konstruktion, die es gewährleistet, dass die Palette samt Beladung von jedem Stapler, jedem Hubwagen und ähnlichem Gerät bewegt werden kann.
- Normen, die garantieren, dass jede Palette dieselbe Minimallast tragen kann.
- Abmessungen, die durch ihre Normung eine maximal raumausnutzende Konstruktion von Fahr- und Flugzeugen, Schiffen sowie Gebäuden und Lagerregalen gestatten (und längst schon verursachen).
- Die durch die Standardisierung gegebene Möglichkeit, Paletten überall weiternutzen zu können, statt sie leer zurücktransportieren zu müssen.
Der bekannteste Vertreter ist zwar die 1961 erfundene, 800 x 1200 x 144 Millimeter messende Europalette. Jedoch gibt es noch deutlich mehr Exemplare. Sie alle haben jedoch dieselben Vorteile. Einen kleinen Haken hat die weltweite Logistik allerdings: Noch gibt es kein wirklich global einheitliches Palettenmodell. Heiß diskutiert wird dies nicht zuletzt deshalb, weil ein weiterer Logistik-Meilenstein schon weit voraus ist und davon profitieren würde:
Der ISO-Container
8 Fuß breit, 8 ½ Fuß hoch und wahlweise 20 oder 40 Fuß lang. Vier standardisierte Ecken zum Aufstellen, Stapeln und Befestigen. Eine große Flügeltür über die gesamte Stirnseite, meist hergestellt aus sogenanntem Corten-Stahl. Das ist das Geheimnis eines Erfolges, der so bedeutsam ist, dass ohne ihn die gesamte Weltlogistik zusammenbräche.
Denn der 1956 in den USA (daher die imperiale Bemaßung) ersonnene ISO-Container ist das Maß aller Dinge für den Transport.
- Alle Containerschiffe,
- alle Container-Sattelauflieger und -Waggons,
- alle Hafenkräne,
- alle Containerstapler sowie
- alle diesbezüglichen Befestigungs- und Verriegelungssysteme
sind auf 20- und 40-Fuß-Container ausgelegt. Die Bedeutung ist sogar so groß, dass die Container der Maßstab für zwei der wichtigsten Logistik-Maßeinheiten sind: TEU und FEU – Twenty., respektive Forty-foot Equivalent Unit. Zudem ist die Interkompatibilität so groß, dass 1 FEU = 2 TEU ist, weil zwei 20-Fuß-Container dieselbe Grundfläche einnehmen wie ein 40er. Als wäre das noch nicht genug, sind die Container sogar Anlass für die aktuell gültige Cost Equivalent Unit CEU.
Containerschiffe werden sogar nur noch danach bemessen, nicht mehr nach Brutto- oder Nettoregisterzahl. So war die 2021 im Sueskanal verkeilte Ever Given ein Modell der 20.000-TEU-Reihe der Evergreen Marine Reederei in Taiwan.
Hier jedoch das Problem der Paletten: Da ISO-Container US-Maße haben, können sie nur mit US-Standardpaletten (48 x 40 Zoll) vollständig gefüllt werden. Diese entsprechen jedoch kaum anderen Maßen und sind weit von der kleineren Europalette entfernt – nur die Euro-3 und -2-Paletten mit 1000 x 1200 Millimeter kommen dicht an dieses Maß heran.
Das Toyota-Produktionssystem TPS
Toyota dürften die meisten Menschen heute nur mit dem größten Fahrzeughersteller der Welt in Verbindung bringen. Zwar stimmt dies. Allerdings ist der japanische Hersteller gerade durch seine Rolle als ein so bedeutender Player in der Welt der Fahrzeuge auch eine sehr wichtige Figur in Sachen Logistik.
Dies bringt uns zu etwas, das in der Fachwelt nur als TPS beschrieben ist und was heute als eine der wichtigsten Methoden für Produktions- und Logistikprozesse gelten muss, auf denen unsere moderne Welt aufbaut.
Grundsätzlich wurde TPS bereits vor dem Ersten Weltkrieg von Sakichi Toyoda in seinen Ursprüngen („Jidoka“) ersonnen. Wirklich zur Blüte kam das Prinzip jedoch erst in den 1930ern, -40ern- und 50ern. Damals hatte Japan das Problem, unter anderem von den USA keine Rohstoffe geliefert zu bekommen. Zunächst ging es also um den Kerngedanken, mit dem Wenigen, das vorhanden war, ein Maximum zu erzielen.
Das TPS, wie wir es heute kennen, wurde jedoch erst im Verlauf der folgenden Jahrzehnte vom Toyota-Produktionsleiter Taiichi Ohno vollendet – übrigens ist das Unternehmen durch diese Philosophie auch der Erfinder des ebenfalls für die Logistik so maßgeblichen Just-in-Time-Prinzips.
Heute stützt sich TPS auf ein Säulensystem verschiedener Faktoren. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie auf einem „Fundament“ aus vier Punkten ruhen:
- Ausdehnung und Weiterentwicklung
- Einbeziehung der Lieferanten
- Kontinuierliche Verbesserung
- Vermeidung von Verschwendung
Zwar gibt es auf der Welt noch andere Methoden/Systeme. Zudem debattieren manche Experten, ob TPS sich mit anderen Mentalitäten jenseits von Ostasien betreiben lässt. Dennoch gilt TPS als eines der bedeutendsten Systeme unserer Zeit – und wird es wohl noch lange sein.
Der maschinenlesbare Code
Um dem geneigten Leser einmal zu demonstrieren, wie gigantisch unsere Logistik heutzutage ist: 2020 wurden allein im Hamburger Hafen 8,5 Millionen TEU umgeschlagen, also rechnerisch ebenso viele 20-Fuß-Container. Allein das ist eine gigantische Zahl, zumal sie im Vergleich mit einigen anderen Häfen sogar noch relativ „klein“ ist.
Stellt man sich dann jedoch noch vor, dass in einen solchen „kleinen“ Container neun Industriepaletten passen und auf diese wiederum im Zweifelsfall dutzende einzelne Kartons mit zusammen hunderten oder gar tausenden Produkten Inhalt, wird eines klar: Wir sprechen hier von Zahlen, die nicht einmal annähernd vom Menschen erfasst werden könnten.
In Anbetracht dieser Tatsache ist der maschinenlesbare Code ein weiterer Meilenstein, ohne den die heutige Logistik nie entstanden wäre und der sie bei seinem plötzlichen Verschwinden sofort zusammenbrechen lassen würde.
Bereits der 1973 in seiner bekannten Form eingeführte UPC-Strichcode sorgte für eine Revolution in der Logistik, die bis heute in Form des GTIN-Strichcodes andauert. Doch sind dessen 95 Striche längst nicht mehr genug, um alle Anforderungen abzudecken. Der bekannte QR-Code steht deshalb als Wachablösung bereit. Mit seinen 7089 numerischen oder 4296 alphanumerischen Zeichen ist er in der Lage, in der Logistik wirklich alles mit höchster Genauigkeit zu bezeichnen.
Der Rest ist buchstäblich Digitalisierungsgeschichte: Egal ob handgehaltener Scanner oder in Tore integriertes System, überall kann dank diesen Codes ohne menschliche Fehleranfälligkeit jedes zu transportierende Bausteinchen identifiziert, zugeordnet und auf den richtigen Weg gebracht werden.