Die Technische Universität München (TUM) startet fünf neue Projekte zur Erforschung des Corona-Virus und neuer Wirkstoffe. Algorithmen könnten beispielsweise künftig eine genauere Klassifikation der Erkrankung ermöglichen. Neue Methoden zur Therapie und zur gezielten Verhinderung von Spätfolgen werden in weiteren Projekten erforscht.
Mit einem eigenen Förderschwerpunkt will die Bayerische Forschungsstiftung die Forschung zum neuartigen Coronavirus im Freistaat beschleunigen und einen Beitrag zur Eindämmung und Bewältigung der Corona-Pandemie. Fünf interdisziplinäre TUM-Projekte waren im Antragsverfahren erfolgreich und werden nun gefördert.
Computertomographie und maschinelles Lernen zur Klassifikation der Covid-19-Lungenerkrankung
Die Covid-19-Lungenerkrankung ist eine neue virale Lungenentzündung. Durch Niedrigdosis-Computertomographie (CT) der Lunge kann im Gegensatz zu Covid-Labortests nicht nur erkannt werden, ob eine Infektion besteht, sondern auch in welchem Ausmaß die Lunge betroffen ist. Bei Niedrigdosis-CTs ist die Menge an benötigter Strahlung sehr gering. Ziel des Projekts „Frühe Detektion und Klassifikation der Covid-19-Pneumonie mittels Computertomographie und maschinellen Lernens“ ist es, Methoden des maschinellen Lernens auf Niedrigdosis-Computertomographien von Covid-19-Patienten anzuwenden, um eine individuelle automatisierte Detektion, Quantifizierung und Risikobewertung der Erkrankung vorzunehmen. Zum Ende des Projekts am Klinikum rechts der Isar sollen Web-basierte Algorithmen bereitstehen, die dann auch in anderen Krankenhäusern zum Einsatz kommen können.
Inhalationsspray zur Unterdrückung der Lungenfibrose nach Covid-19
Patienten, die an Covid-19 erkrankt waren, leiden häufig noch lange danach unter einer verminderten Lungenfunktion. Eine Ursache hierfür sind Vernarbungen des Lungengewebes, in der Fachsprache als Lungenfibrose bezeichnet. Ein kleines körpereigenes RNA-Molekül, microRNA, steht im Verdacht, diesen Krankheitsprozess voranzutreiben. Synthetisch hergestellte Inhibitoren (Anti-miR-Oligonukleotide), die microRNA neutralisieren, wären eine vielversprechende therapeutische Strategie. Wenn man ihn intravenös verabreicht, gelangt der Wirkstoff jedoch oft nicht in die Zellen des jeweiligen Organs. Bei der Lunge können die betroffenen Zellen per Inhalation direkt erreicht werden.
Ziel des Projekts „Anti-miR gegen Lungenfibrose“ unter der Leitung von Stefan Engelhardt, Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der TUM, ist es, mit dem Projektpartner Isar Bioscience GmbH ein inhalatives Verfahren zu entwickeln, mit dem in der Lunge lokal hohe Wirkstoffkonzentrationen erzielt werden. So soll die Entstehung der Lungenfibrose als Folge einer Covid-19-Erkrankung verhindert werden.
Entwicklung therapeutischer Fusionsproteine
SARS-CoV-2 benötigt für den Eintritt in die menschliche Wirtszelle die Bindung des viralen Spike-Proteins an das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2), das sich auf der Oberfläche der Zellmembran befindet. Das Projekt „Charakterisierung von ACE2-IgG-Konstrukten“ verfolgt das Ziel, therapeutische Fusionsproteine zu entwickeln, die diese Bindung unterbrechen. Durch Sequenzmodellierung entworfene Varianten geeignet erscheinender Proteine sollen strukturell und funktionell charakterisiert werden, um die für eine therapeutische Anwendung wichtigen Eigenschaften zu identifizieren.
Screening-Plattform bei viralen Infektionen
Das Erbgut von SARS-CoV-2 besteht aus RNA. Momentan ist nur ein kleiner Bruchteil der Interaktionen zwischen der RNA des SARS-CoV-2-Virus und den Proteinen in den menschlichen Wirtszellen bekannt. Jede für den Virus unentbehrliche Interaktion stellt eine Schwachstelle dar, welche mit einem Medikament gezielt gestört werden könnte. Das Projekt hat zum Ziel, alle menschlichen Proteine zu finden, die mit SARS-CoV-2 RNA interagieren. Im Ergebnis soll eine Screening-Plattform entstehen, die über SARS-CoV-2 hinaus universal bei viralen Infektionen anwendbar ist und eine schnelle und systematische Identifizierung von Zielproteinen für die Entwicklung von Medikamenten ermöglicht.
Neuer Ansatz zur Diagnose von Covid-19
Die Covid-19 Lungenerkrankung verläuft typischerweise in zwei Phasen. Die oft leichteren Symptome innerhalb der ersten Woche liefern dabei keine Hinweise auf eine mögliche spätere klinische Verschlechterung in der zweiten Phase mit der dann notwendigen intensivmedizinischen Behandlung. Daher besteht ein großes Interesse an molekularen Biomarkern, die solche Patienten frühzeitig identifizieren. Ziel des Projektes „Extrazelluläre Vesikel zur Diagnose von Covid-19“ ist es deshalb, molekulare Signaturen aus in der Blutbahn zirkulierenden so genannten extrazellulären Vesikeln zu identifizieren. Die Biomarker in den extrazellulären Vesikeln erlauben eine frühzeitige Erkennung der Covid-19 Pneumonie und von Risikopatienten, und zudem liefern sie Hinweise für entzündungsbedingte Gefäßschäden mit Thrombose- und Embolie-Risiko.
Quelle: Technische Universität München