Mit ihrem vielgestaltigen Krankheitsbild und der bislang noch nicht komplett geklärten Entstehung ist Multiple Sklerose eine nach wie vor rätselhafte Erkrankung, die Patienten häufig Angst macht. Dank moderner Diagnostik lässt sich MS jedoch schon bei ersten Verdachtsmomenten erkennen, sodass mit Medikamenten das Fortschreiten der Erkrankung lange hinausgezögert werden kann und die Betroffenen eine hohe Lebensqualität genießen.
Die Autoimmunerkrankung ist – Stand heute – zwar nicht heilbar, führt aber nicht zwangsläufig zu einer Verkürzung der Lebenszeit. Neueste Studienergebnisse zeigen außerdem, dass es anscheinend definierbare Subtypen der Multiplen Sklerose gibt, die zielgerichtet behandelt und somit die Therapiemöglichkeiten bedeutend verbessert werden können. Ursächlich für die typischen Multiple Sklerose Symptome sind Entzündungen im Gehirn, die durch fehlerhaft programmierte T-Zellen ausgelöst werden, welche sich vervielfältigen und körpereigene Zellen im zentralen Nervensystem angreifen.
Falsch programmierte T-Zellen überwinden Blut-Hirn-Schranke
Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der Immunzellen körpereigenes Gewebe angreifen – und zwar im zentralen Nervensystem, weshalb die Krankheit zu den neurologischen Erkrankungen zählt. Falsch programmierten T-Zellen – eine Untergruppe der Lymphozyten (weißen Blutkörperchen) – gelingt es, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, welche das Gehirn und das Rückenmark vor Krankheitserregern und Entzündungszellen schützen soll. Auf welche Weise genau die schützende Barriere passiert wird, konnte bislang noch nicht vollständig geklärt werden. Sicher ist hingegen, dass die T-Zellen, die eigentlich der Immunabwehr von körperfremden Krankheitserregern dienen, sich bei Multipler Sklerose gegen den eigenen Körper richten.
Bei MS-Patienten kommt es zu einer fehlerhaften Reifung der T-Zellen, die dann nicht, wie „normale“ T-Zellen, körpereigenes Gewebe als solches erkennen, sondern es fälschlicherweise für einen gefährlichen Krankheitserreger halten. Angriffsziel dieser fehlerhaft programmierten Immunzellen sind die Myelinscheiden der Nervenfasern im Gehirn. Sie sorgen durch die Myelinschicht für die Isolierung der Nervenfasern und sind maßgeblich an der korrekten Informationsübermittlung via Elektrizität zwischen Nervenzellen beteiligt. Die Angriffe der T-Zellen auf die Myelinscheiden der Nervenfasern lösen heftige Entzündungsreaktionen aus, infolge derer die isolierenden Schichten zerstört und dadurch die elektrischen Impulse nicht mehr korrekt oder gar nicht weitergeleitet werden. Diese Entzündungsherde können an allen möglichen Regionen im Gehirn entstehen und dort die Kommunikation der betroffenen Nerven mit den entsprechenden Organen im Körper beeinträchtigen: Entzündungen des Sehnervs etwa führen zu den für MS typischen Sehstörungen, ohne dass eine lokale Entzündung des Auges vorliegt.