Kunststoff im Auto reduziert das Gewicht. Doch Nockenwellenmodule als ein wichtiger Bestandteil des Antriebsstrangs werden bis dato noch immer aus Aluminium gefertigt. Einem Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT ist es jetzt gemeinsam mit Partnern gelungen, ein Nockenwellenmodul aus faserverstärkten Duromeren herzustellen. Das Leichtbauelement trägt zur Reduktion des Motorgewichts bei und senkt die Montagekosten. Es liegt derzeit als funktionsfähiger Demonstrator vor.
Nockenwellen sorgen im Verbrennungsmotor dafür, dass die Ladungswechselventile zuverlässig und präzise geöffnet und geschlossen werden. Sie sind im Nockenwellenmodul gelagert, das standardmäßig noch aus dem Metall Aluminium gefertigt wird. Doch Automobilhersteller und Zulieferer unternehmen große Anstrengungen, den Antriebsstrang und seine Bestandteile in Leichtbauweise zu produzieren. Die Gewichtsreduktion ist eine der effektivsten Methoden, den CO2-Ausstoß zu senken.
Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer ICT in Pfinztal unterstützen die Industrie mit einem neu entwickelten Nockenwellenmodul aus Kunststoff in ihrem Anliegen. Das Leichtbau-Modul wurde gemeinsam mit dem MAHLE Konzern und den assoziierten Partnern Daimler AG, SBHPP/Vyncolit N.V. und Georges Pernoud realisiert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi fördert das Projekt.
Bei der Wahl des Kunststoffs setzen die Projektpartner auf hochfeste, faserverstärkte Duromere, da sie hohen Temperaturen, mechanischen und chemischen Belastungen, wie sie etwa durch synthetische Motoröle und Kühlmittel verursacht werden, sehr gut standhalten. »Wir steuern das Know-how bei, wie man die Geometrien des Bauteils material- und prozessgerecht gestalten muss, damit sie alle Anforderungen erfüllen«, sagt Thomas Sorg, Wissenschaftler am Fraunhofer ICT. »Das Nockenwellenmodul befindet sich im Zylinderkopf, also in der Regel im oberen Bauraum des Antriebsstrangs. Hier ist es besonders sinnvoll, Gewicht zu reduzieren, da es eine Absenkung des Fahrzeugschwerpunkts ermöglicht.«
Klimaschutz im Fokus
Gussteile aus Aluminium müssen nach dem Vergießen aufwändig nachbearbeitet werden, dadurch entstehen hohe Kosten. Der Nachbearbeitungsaufwand von faserverstärkten Duroplasten ist vergleichsweise gering, sie lassen sich endkonturnah herstellen, was mit niedrigeren Kosten bei der Produktion einhergeht. Auch die Lebensdauer von Duroplast-Spritzgusswerkzeugen ist – bei bis zu 500.000 Stück – wesentlich höher im Vergleich zu Aluminium-Hochdruck-Gusswerkzeugen. Darüber hinaus weisen mit hohem Faseranteil verstärkte Kunststoffe gegenüber Aluminium einen deutlich geringeren CO2-Footprint auf, da das Leichtmetall in der Herstellung sehr energieintensiv ist.
Ein weiterer Vorteil: Automobilhersteller sind bestrebt, Geräuschemissionen zu minimieren. Denn wenn ein Auto klappert, ist dies nicht nur lästig, sondern ein klarer Wettbewerbsnachteil. NVH-Eigenschaften (Noise, Vibration, Harshness) – eine Kombination von Geräusch, Vibration und Rauheit – stehen daher weit oben auf der Liste der Faktoren, die zur Beurteilung der Fahrzeugqualität herangezogen werden. Kunststoffe weisen ein gutes Dämpfungsverhalten auf. »Insofern lässt sich das akustische Verhalten des Nockenwellenmoduls sehr gut optimieren«, so Sorg.
Das Nockenwellenmodul ist durch eine monolithische Bauweise mit integrierten Lagern gekennzeichnet, das heißt, es wird aus einem Guss gefertigt. Dadurch verringert sich der Montageaufwand im Motorenwerk. Der Fahrzeughersteller bekommt das Modul vorkonfektioniert vom Zulieferer und kann es mit wenigen Handgriffen auf den Motor montieren. Die eigenständige zeitaufwändige Installation des Bauteils entfällt. Ein zusätzliches Plus der innovativen Lösung: Inserts aus Aluminium an den hochbelasteten Stellen der Nockenwellenlager nehmen die direkten Kräfte auf.
600 Teststunden am Motorenprüfstand
Während erster Tests am Motorenprüfstand konnten der Wissenschaftler und seine Kollegen ein positives Laufverhalten beobachten. Auch eine Gewichtseinsparung gegenüber dem Referenzbauteil aus Aluminium ließ sich nachweisen. »Wir können das Nockenwellenmodul aus duroplastischem Werkstoff deutlich leichter fertigen als das Pendant aus Leichtmetall und dabei sogar wirtschaftlich im Spritzgießverfahren produzieren«, betont der Ingenieur. Simulationsrechnungen unterstützen die Auslegung und Absicherung des Prototyps bevor der Herstellungsprozess startet. »Obwohl die Steifigkeit des Duromers nur ein Viertel des Aluminiums beträgt, ist es uns durch konstruktive Maßnahmen gelungen, die maximal zulässigen Verformungen einzuhalten«. Die Funktionalität des Leichtbauelements erwies sich nach 600 Stunden sogenannter geschleppter Versuche am Motorenprüfstand in einem hochmodernen Otto-Verbrennungsmotor als einwandfrei. Mithilfe der anstehenden sogenannten befeuerten Versuche wollen die Projektpartner die Funktionalität und das NVH-Verhalten unter Berücksichtigung der Gaskräfte des Verbrennungsprozesses belegen.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft