Im Rahmen ihrer Bachelorprojektarbeit haben Tobias Bothe und Jan Kablitz, Mechatronik-Studenten der Fachhochschule Kiel (FH Kiel), einen mechatronischen Prototyp entwickelt, mit dem Orgelpfeifen innerhalb weniger Sekunden automatisch gestimmt werden können.
Bothe und Kablitz verwendeten ausschließlich preisgünstige Standardkomponenten. So besteht der Prototyp aus einem Sensor-Aktor-System, bei dem ein Mikroprozessor für die digitale Regelung und die Frequenzanalyse sorgt. Eine Herausforderung für die beiden Studenten war die schnelle und präzise Erfassung von Orgeltönen auch bei Grundtonfrequenzen von zum Beispiel 175Hz. Der Prototyp ist in der Lage, die Tonlage rund 15 Mal in der Sekunde mit einer Genauigkeit von 0,2Hz zu analysieren, für Projektbetreuer Prof. Dr. Christoph Weber vom Institut für Mechatronik eine herausragende Leistung. Diese Messgeschwindigkeit wird benötigt, um eine dynamische Tonlagenveränderung zu ermöglichen.
Stimmung und Gemütslage
Die Anwendung eines solchen Systems bietet viele Vorteile: Zum einen können schwer zugängliche Register einer Orgel schnell und mehrmals im Jahr nachgestimmt werden. Zum anderen ist es möglich, neben der heutzutage gängigen „gleichstufigen Stimmung“ andere Stimmungen quasi per Knopfdruck einzustellen, wie sie beispielsweise im Mittelalter üblich waren. Darüber hinaus können Musikpsychologinnen und -psychologen untersuchen, wie sich verschiedene Stimmungen auf die menschliche Gemütslage auswirken.
Unterstützt wurden Bothe und Kablitz vom Team des Instituts für Mechatronik der FH Kiel, von Prof. Dr. Christian Kaernbach vom Allgemeinen Psychologischen Institut I, Abteilung Emotionspsychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) sowie von Philipp Klais von der Bonner Orgelbaufirma Klais. Gerade der fachübergreifende Ansatz habe die Aufgabe so reizvoll gemacht, so Tobias Bothe: „Neben der technischen Herausforderung war für uns vor allem der regelmäßige Austausch mit dem Emotionspsychologischen Institut spannend und bereichernd.“
Der Prototyp wird nun von der Arbeitsgruppe Musikpsychologie der CAU weiterverwendet. Unter anderem soll untersucht werden, inwieweit leichte Verstimmungen gegenüber anderen Orgelpfeifen das akustische Wahrnehmungsempfinden von Probandinnen und Probanden beeinflussen. Auch die Orgelbaufirma Klais möchte das Projekt fortführen und plant, ein ganzes Register von 61 Orgelpfeifen mit dem System auszustatten.
(Fachhochschule Kiel, 22.09.2014 – AKR)