Technik

Preisgekrönte Recyclingstrategien für Bauschutt für ein nachhaltigen Bauen

Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik

Bauschutt
Bauschutt als Ausgangmaterial. © Fraunhofer UMSICHT

Viele Rohstoffe werden zunehmend rar. Und das gilt nicht nur für Erdöl oder seltene Metalle, sondern auch für industriell nutzbaren Sand. Entgegen dem Sprichwort, nach dem etwas so häufig wie Sand am Meer ist, ist dieser endlich und in manchen Ländern sogar knapp, denn Strand- oder Wüstensand sind für den Bau nicht geeignet; er ist zu klein und zu rund. Doch der weltweite Bauboom benötigt Unmengen an Kies, anderen Gesteinen und eben Bausand für die Herstellung von Beton, Mauersteinen oder Putzen.

Um dieser Ressourcenverknappung entgegenzuwirken, haben sich vier Fraunhofer-Institute für drei Jahre im Rahmen des Projekts »BauCycle« mit der Verwertung von mineralischen Baustoffen aus Abbruchmaterialien beschäftigt. Ziel war es, durch eine ganzheitliche Recyclingstrategie ein nachhaltigeres Bauen zu ermöglichen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler testeten dabei neue Methoden zur Sortierung von Bauschutt, prüften Anwendungsoptionen und entwickelten ein Produkt aus dem recycelten Material, um damit Primärrohstoffe zu sparen. Nach dem erfolgreichen Projektabschluss wurde »BauCycle« von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB e.V. zum Sieger in der Kategorie »Forschung« gekürt.

Im Jahr 2016 setzte die Baubranche 563 Millionen Tonnen an mineralischen Rohstoffen ein. Durch den Abriss von Gebäuden fallen jährlich zirka. 54 Millionen Tonnen an Bau-schutt an. Bei dessen Aufbereitung durch mechanische Methoden entstehen rund fünf Millionen Tonnen an Feinfraktionen, die kleiner als zwei Millimeter sind. Aufgrund deren heterogenen Zusammensetzung wird diese Menge nahezu ausnahmslos deponiert. Dieses Vorgehen besteht bis heute. Gleichzeitig sind die Ressourcen der heimischen Steinbrüche bereits nahezu erschöpft und neue Abbauflächen sind knapp. Um die endlichen Vorkommen an Baurohstoffen nicht vollends zu erschöpfen sowie verlässlich kostengünstige Materialien bereitzustellen, haben sich 2016 die Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP, für Materialfluss und Logistik IML, für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT zusammengeschlossen und in dem Fraunhofer intern geförderten Projekt »BauCycle« neue Recyclingmöglichkeiten von Bauschutt analysiert und entwickelt. Die Ergebnisse sollen in Folgeprojekten weiterentwickelt werden, um konkrete Strategien für eine nachhaltigere Baubranche aufzuzeigen. Dabei steht das Forschungskonsortium in intensivem Austausch mit der Fraunhofer-Allianz Bau, die es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, Wirtschaft und Politik zu den aktuellen Trends, daraus resultierenden Bedarfen und potenziellen Lösungen für die Baubranche zu informieren. Da im Rahmen des Projekts aus den Rezyklaten neue, fortschrittliche Baustoffe entwickelt wurden, bietet »BauCycle« nicht nur Lösungen für das Geschäftsfeld »Ressourceneffizienz«, sondern gleichzeitig auch für den Bereich »Advanced Materials« der Allianz.

Die Aufbereitung von Bauschutt und seine Wiederverwertung

Zunächst beschäftigte sich das Projektteam mit der Entwicklung eines Verfahrens zur optischen Sortierung von Bauschutt, um dessen Hauptbestandteile Beton, Ziegel, Kalksandstein und Gips selektiv voneinander zu trennen. Dabei wurde die mineralische Zusammensetzung des Bauschutts mittels einer Hyperspektralkamera spektroskopisch nach chemischen Kriterien analysiert und als Sortierparameter genutzt. In den jeweiligen Stoffgruppen konnte eine Reinheit von zirka 99,5 Prozent erzielt werden. Parallel dazu arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bauproduktmustern und Rezepturen, zum Beispiel für Porenbetonsteine, bei denen 30 Massen-Prozent des Primärrohstoffs Sand durch das gewonnene, feinkörnige Bauschuttmaterial ersetzt werden konnten. Auch zementfreie Baustoffe erstellte das Team auf Basis von Bauschutt. Sie entwickelten einen Akustikputz mit 60 Massen-Prozent Rezyklat-Anteil für die Innenanwendungen, der eine vergleichbare akustische Qualität zu den marktüblichen Produkten aufweist. Die entwickelten Produktmuster wurden einer orientierenden Nachhaltigkeits-bewertung unterzogen und waren im Januar auf der Messe Bau 2019 in München zu sehen.

Im letzten Schritt des Projekts fertigte die Forschergruppe einen Demonstrator für eine Marktplattform an, über die Bauschuttfraktionen gehandelt werden können und in welcher verschiedene Quellen und Senken von Primär- und Sekundärrohstoffen intelligent vernetzt sind.

Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen

Zur Bestätigung für ihre erfolgreiche Arbeit durften die Projektbeteiligten am 25. Juni 2019 im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB e.V. für das »BauCycle«-Projekt den ersten Preis in der Kategorie »Forschung« entgegennehmen. »Die Auszeichnung zeigt, dass wir mit dem ›BauCycle‹-Projekt genau den Nerv der Zeit getroffen haben«, freut sich Gesamtprojektleiter Dr. Volker Thome, Leiter der Abteilung Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer IBP. Die Preisträger erhalten je nach Kategorie und Thema ein Coaching durch passende Experten aus dem DGNB-Netzwerk sowie eine Präsenz im Living Showroom der DGNB in Stuttgart.

In Anschlussprojekten geht es weiter

Mit Abschluss des Projekts ist die Thematik aber noch lange nicht ausgeschöpft. Auch künftig werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – basierend auf den Ergebnissen des »BauCycle«-Projekts – an der Funktionalisierung von zementfreien Baustoffen sowie der Erhöhung des Rezyklat-Anteils bei der Herstellung von Porenbeton und an innovativen Bauprodukten arbeiten. Außerdem forschen sie weiterhin an der Herstellung von zementfreien und korrosionsbeständigen Bauprodukten.
Zudem sollen weitere potentielle Verwertungswege für die Bauschutt-Feinfraktionen gefunden werden. Die Forscherinnen und Forscher wollen auch weiter die sensorbasier-ten Sortiersystemen optimieren, um beispielsweise Inspektionsaufgaben abseits der Bauschuttthematik erfolgreich umzusetzen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung, Nutzung und Fusion problemspezifischer Spektralbereiche sowie der Anwendung von sogenanntem »Hyperspectral Imaging« für eine materialerkennende Bildverarbeitung. Darüber hinaus setzen die Fraunhofer-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter die entwickelten Methoden zur Simulation volatiler Stoffstromnetzwerke ein. Die Grundlagen der Marktplattform sollen Kunden aus verschiedenen Bereichen in vorwärts- und rückwärts gerichteten Wertschöpfungsketten maßgeschneiderte Lösungen zur Effizienzsteigerung in der Logistik für eine echte Kreislaufwirtschaft anbieten.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT

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