Selbst eine wirklich gewissenhafte Vorarbeit mit präziser Zielgruppenanalyse und hervorragendem Marketing kann eines nicht immer verhindern: Irgendwann hat sich ein Produkt in gewisser Hinsicht selbst überlebt. Es entspricht nicht mehr dem Zeitgeist, dem Kundengeschmack oder läuft aus irgendeinem anderen Grund nicht mehr so, wie man es von früher gewohnt ist. Es ist also in seinem Lebenszyklus schon weit fortgeschritten.
Dann ist ein Relaunch oft die einzige Option, um langfristiges Scheitern zu vermeiden. Doch Vorsicht: Ein solcher Neustart ist nicht nur generell eine ziemlich knifflige Angelegenheit, sondern er bietet reichliche Optionen, um diverse Fehler zu begehen. Welche dabei zuvorderst vermieden werden sollten, erläutern wir im folgenden Artikel.
Fail 1: Es nicht erst mit einem Facelift versuchen
Was die Erneuerung eines Produkts anbelangt, so stellt der Relaunch den tiefgreifendsten möglichen Eingriff dar. Sozusagen eine Operation am offenen Herzen. Allerdings ist diese „OP“ beileibe nicht die einzige Option, die zur Verfügung steht, um ein Produkt zu revitalisieren.
Am unteren Ende steht dafür das Facelift. Jedoch sollte man sich von diesem Begriff nicht täuschen lassen: Beim Facelift spielen zwar tatsächlich optische Veränderungen eine Rolle. Insgesamt jedoch steht der Begriff für generell vorsichtige, harmlose, nuancierte Anpassungen.
Nehmen wir etwa ein Aftershave:
- Facelift: Farbe und Form der Flasche werden etwas(!) angepasst, die Schriftart der Brand, die Ausrichtung des Marketings. Eventuell gibt es äußerst dezente Veränderungen an der Duftkomposition. Es werden jedoch beispielsweise keine neuen Noten oder dergleichen hinzugefügt.
- Relaunch: Das ganze Aftershave wird umgekrempelt. Neue Verpackung, andere Zusammensetzung, gänzlich veränderte Zielgruppenansprache und Marketing. Das ursprüngliche Produkt bleibt zwar noch erkennbar (oder „riechbar“), aber das neue Aftershave ist dramatisch anders.
In der Praxis können die Unterschiede durchaus verschwimmen. Etwa kann ein Verpackungs-Relaunch durchaus dezente Merkmale aufweisen, gilt jedoch trotzdem als nicht als Facelift.
Grundsätzlich sollte man Facelifts immer zuerst nutzen. Sogar regelmäßig, wenn das Produkt über längere Zeit nicht mehr wächst. Denn erstens bleibt es dadurch länger am Puls der Zeit, zweitens sind die Änderungen weniger stark wahrnehmbar und drittens ist es die deutlich einfachere, weniger risikobehaftete Maßnahme.
Fail 2: Nicht auch die Verpackung erneuern – und dabei grüner werden
Wird ein Produkt (auch) im stationären Handel vertrieben und gehört es zu denjenigen Dingen, die häufiger gekauft werden? Dann wäre es geradezu ein folgenschwerer Fehler, das Produkt zu verändern, aber die Verpackung bestenfalls zu faceliften.
Der Grund ist schnell erklärt. Die Verpackung ist in diesem Fall das, was die Kunden kennen und als erstes sehen. Wird sie nicht ebenfalls maßgeblich geändert, drohen schwere Folgen:
- Deine Bestandskunden kaufen die alte Verpackung, finden darin jedoch ein völlig verändertes Produkt vor. Das kann große Konfusion erzeugen.
- Die neuen Kunden, die durch den Relaunch hinzugewonnen werden sollen, erkennen das Produkt aufgrund der (fast) gleichgebliebenen Verpackung nicht als revitalisiert.
Das heißt: Wenn man relauncht, muss die Verpackung als maßgeblicher Punkt mit einbezogen werden. Diese Chance sollte man allerdings nutzen, um diesbezüglich grüner zu werden. Heutige Kunden erwarten in der Breite einfach mehr Nachhaltigkeit. Wurden bislang herkömmliche Standbodenbeutel aus „irgendeinem“ Kunststoff genutzt? Dann sollte man jetzt über die Alternative aus (Kraft-)Papier nachdenken. Genau so stabil, deutlich nachhaltiger – nicht zuletzt in Sachen Optik.
Ähnliches bei Kartonagen. Die bisherige Produktverpackung war dick lackierter Karton oder Pappe? Dann könnte man auf die naturbelassene Variante switchen und nur mit einigen Farbtupfern an die gewohnte Brand Color anknüpfen.
Fail 3: Alle bisherigen Merkmale komplett ablegen
Ja, ein Relaunch kann ganz ähnlich aufwendig sein wie der generelle Launch eines Produkts. Im Gegensatz zu diesem sollte man jedoch bei der Neuauflage eines nicht vergessen: Das Produkt hat bereits eine erfolgreiche Geschichte und immer noch viele zufriedene Anhänger vorzuweisen.
Übertreibt man es mit der Veränderung, indem wirklich alle wichtigen Alt-Merkmale über Bord geworfen werden, dann stößt man diese Gruppe vor den Kopf. Sie erkennt das Produkt nicht mehr wieder, fühlt sich vielleicht gekränkt. Gleichsam ist bei einer neuen Zielgruppe die Schwierigkeit, sie in dem Fall mit einem tatsächlich „brandneu“ wirkenden Produkt überzeugen zu müssen.
Einige wichtige Merkmale, die ein pre-Relaunch-Produkt ausmachten, sollten deshalb beibehalten werden, etwa:
- Verwendete Farbkonzepte
- Grafische Elemente, wenigstens in ihrem Grundkonzept
- Slogans, Jingles und ähnliche Merkmale
Hierbei ist an einen der erfolgreichsten Relaunches dieses Jahrtausends zu denken: Der Duft Old Spice schaffte es, sich fulminant und vielgefeiert zu wandeln, obwohl am seit 1937 erfolgreichen Kernrezept praktisch nichts verändert wurde. Das Aftershave riecht heute noch so wie bei seinem Launch vor dem Krieg – dennoch schossen die Verkaufszahlen durch die Decke.
Warum? Der Hersteller schaffte es, das zuvor von vielen als „Altherrenduft“ bezeichnete Aftershave zu relaunchen, ohne seine Wurzeln dabei abzuschneiden.
Fail 4: Relaunchen ohne vorherige umfassende Analyse
Ein Grund, warum wir im vorherigen Kapitel Old Spice genannt haben, ist die Tatsache, dass es sich hierbei sozusagen um einen wahren Bilderbuch-Relaunch handelte, bei dem kein einziger Fehler gemacht wurde.
Dazu dürfte zweifellos eines gehören: Vor diesem Relaunch haben die Verantwortlichen höchstwahrscheinlich sehr, sehr genau analysiert, warum ihr Produkt nicht mehr so gut lief wie einst. Das macht jedoch längst nicht jeder in diesem Ausmaß; nicht einmal andere große Marken.
Wie schwierig es sein kann, zeigt dir der Relaunch von Nestea. Aufgrund der Größe der Marke wurde er sicherlich nicht amateurhaft durchgezogen. Dennoch floppte das neue Produkt dermaßen, dass den Verantwortlichen nur die Rückkehr zum Status quo pro ante blieb.
Was wir dir damit sagen wollen: Bevor man sich für einen Relaunch entscheidest, solltest man
- umfassend und in sämtlichen Details analysieren, wieso das bisherige Konzept nicht mehr so gut funktioniert.
- so präzise wie möglich eruieren, was man abstellen/ändern musst, um diese Nachteile verschwinden zu lassen.
- äußerst detailliert betrachten, wie sich welche Änderungen bei wem auswirken könnten.
Beispiel Nestea: Die veränderten Merkmale waren aus professioneller Sicht absolut kritikfrei. Der Look der neuen Flasche war einwandfrei, was sogar Tester bestätigten. Ein brandneues Produkt hätte damit keine Schwierigkeiten gehabt. Das Problem jedoch: Nestea war nicht brandneu und viele Stammkunden erkannten die Marke durch die starken optischen Veränderungen nicht mehr.
Fail 5: Den Kunden nicht in den Mittelpunkt stellen
Natürlich, ein Relaunch soll stets die Umsätze mit diesem Produkt verbessern. Allerdings haben viele Unternehmer hauptsächlich diese Tatsache im Blickfeld: Mehr Umsätze, mehr Geld.
Warum das so gefährlich ist? Darüber vergisst sich sehr leicht, wer denn diese Umsätze bescheren soll – nämlich alte und neue Kunden. Die zentrale Frage, die über dem ganzen Relaunch stehen sollten, sieht dementsprechend folgendermaßen aus:
Was bringt dieser Relaunch den alten und neuen Kunden?
Die Antwort darauf kann nur der Unternehmer selbst geben. Der Weg dorthin sollte jedoch stets sämtliche Auswirkungen betrachten, die der Relaunch verursachen kann. Und unbedingt sollten dabei beide Kundenkategorien gleichberechtigt betrachtet werden. Es darf niemals vergessen werden, wie viele zufriedene Käufer selbst ein seinen Peak überschrittenes Produkt bis zuletzt anzieht. Diese Menschen sind ein völlig unverzichtbares „Kernkapital“, das nach dem Relaunch möglichst in Gänze erhalten bleiben sollte.
Fail 6: Den Relaunch still und heimlich durchziehen
Man stelle sich bitte einmal folgendes Szenario vor:
Man ist seit vielen Jahren treuer Kunde einer bestimmten Nudelsoße. Selbst, wenn der bevorzugte Supermarkt mal wieder die Regale umgeräumt hat, findet man das Einmachglas aufgrund der Farbgebung von Banderole und Schraubdeckel mit schlafwandlerischer Sicherheit.
Die Menge der Nudelsoße reicht immer für die eigenen Bedürfnisse des jeweiligen Kunden, der Preis folgte immer nur der allgemeinen Inflation und die Zusammenstellung der Gewürze entsprach genau deinem Geschmack. So geht es vielen anderen Kunden auch.
Eines Tages jedoch findet man dieses Glas nicht mehr. Man muss sogar eine Verkäuferin fragen. Die führt einen zu einer Soße, die nicht mehr im Glas, sondern im kleinen Tetra Pak angeboten wird. Nicht nur ist die Farbe anders, sondern die Soße hat einen neuen Sortennamen bekommen. Preis und Verpackungsmenge blieben gleich, aber beim Kochen stellt man fest: Sie riecht und schmeckt etwas anders – nicht besser oder schlechter, nur anders.
Wie fühlt sich der Kunde dabei? Höchstwahrscheinlich verwirrt, vielleicht ein bisschen enttäuscht. Mit Sicherheit würde es ihn ärgern, von dieser Änderung so gar nichts mitbekommen zu haben. Nicht einmal eine kleine Regalfahne zeigte eine Änderung an.
Wenn dieses Beispiel nachvollzogen werden kann, versteht man wahrscheinlich, wie wichtig es ist, einen Relaunch umfassend und auf allen Kanälen zu bewerben. Einfach formuliert: Kein Zielgruppenmitglied darf von den Änderungen nichts mitbekommen haben – idealerweise schon bevor das relaunchte Produkt in den Handel kommt.
Übrigens ist das nicht nur wichtig für die Mitnahme bisheriger Kunden. Es ist ebenso wichtig, um bislang noch nicht überzeugte Personen zu animieren, es mit einer Neuauflage zu versuchen.