Geowissen

Schwedens Schären: Landschaftsformen aus der Eiszeit werden zum Lebensraum

Küstenregionen

Napoleons viken im Stockholmer Schärengarten
Bucht im Stockholmer Schärengarten.. © Uwe Moser, iStock

Der in der deutschsprachigen Geologie verwendete Begriff „Schären“ hat seinen Wortursprung im altnordischen Wort sker, das sich in etwa mit „Klippe“ übersetzen lässt. Etwa seit dem 17. Jahrhundert ist in der Wissenschaft und im allgemeinen Sprachgebrauch vorwiegend die aus dem Schwedischen stammende Schreibweise skä oder Skär gebräuchlich, die sehr nah an der deutschen Variante „Schären“ liegt.

Als Schären werden in der Geologie und in der Geografie typische Landschaftsformationen bezeichnet, die aus der Küste vorgelagerten felsigen Inseln bestehen. Die Schären, die heute insbesondere die Küstenregionen, große Seen und Fjorde Skandinaviens zieren, sind bereits in der Eiszeit durch Gletscherbewegungen geschaffen worden und sind deshalb von besonderem Interesse für Geologen.

Üblicherweise kommen Schären nicht als einzelne Felseninsel vor, sondern liegen in Gruppen beieinander. Geologen sprechen dann von einem Archipel. Sind die charakteristischen Felsformationen in langgezogenen Streifen einer Küste vorgelagert, wird diese Landschaftsformation eine Schärenküste genannt.

Schweden, das Land der Schären

Skandinavien ist nicht nur sprachwissenschaftlich die Heimat der Schären, rund um die skandinavische Halbinsel sind die geologisch interessanten Felsformationen auch besonders häufig zu finden. Schweden ist ein Land, dessen Küsten, Seenlandschaften und Fjorde an vielen Stellen von beeindrucken Schären-Archipelen geprägt sind. Während der letzten Eiszeit, in der Schweden neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sogar warme und eisfreie Perioden erlebt haben soll, waren die Gletscher besonders aktiv. In einigen Gletscherregionen sollen sich Forschungsergebnissen zufolge die Gletschervorstöße noch deutlich schneller ereignet haben, als dies bisher angenommen wurde.

Vor diesem Hintergrund ist es kaum erstaunlich, dass die gewaltige Kraft und Bewegung der Eismassen in Schweden in der Lage war, umfangreiche Schärenlandschaften entstehen zu lassen. In einigen Küstenregionen und Fjorden, zum Beispiel in Östergötland und in der Gegend um Stockholm, haben sich beeindruckende Schären-Archipele entwickelt.

Die Felsformationen der Schären prägen das Landschaftsbild in Schweden an den Küsten, den großen Seen und in den Fjorden regional so stark, dass sie zum Lebensraum für die Menschen geworden sind. Auf den ausgedehnten Archipelen stehen einzelne Wohnhäuser bis hin zu ganzen Siedlungen. Beliebt sind die besonderen Felsformationen mit traumhaftem Blick über Schwedens schönste Küsten- und Fjordregionen auch für Urlaubsgäste. In den Schärengärten und anderen von den eiszeitlichen Monumenten geprägten Küstengebieten geben Ferienhäuser im schwedischen Stil die Möglichkeit, diese geografische Besonderheit hautnah zu erleben.

Wie die Gletscher der Eiszeit das Land formten

Im Norden Europas begann die letzte Eiszeit etwa vor 120.000 Jahren und dauerte mehr als 100.000 Jahre. Erst vor rund 10.000 Jahren, da sind sich Wissenschaftler heute einig, war Nordeuropa wieder weitgehend eisfrei, wobei einzelne Bereiche auch während der Eiszeit nicht vollständig unter den gewaltigen Gletschern begraben gewesen sein sollen. Die so genannte Weichsel-Eiszeit, auch Weichsel-Kaltzeit oder Weichsel-Glazial genannt, soll von Temperaturschwankungen geprägt gewesen sein. Dennoch war das Klima zu dieser Zeit insgesamt wesentlich kälter als heute.

In Schweden, sowie in den meisten anderen Teilen Skandinaviens, lagen weite Teile der Landmassen während des Weichsel-Glazials unter einer dicken Eisschicht. In der Mitte Schwedens, in der Region der heutigen Provinz Sörmland, deuten geologische Funde darauf hin, dass die Eismassen bis zu 2.000 Meter dick gewesen sein könnten. Vom Gewicht des Eises wurden Landflächen nach unten gedrückt und konnten erst vor rund 18.000 Jahren, als die Gletscher zu schmelzen begannen, ganz langsam wieder emporsteigen. Geologen sind sich sicher, dass die Landmassen, die von den Glazialen, insbesondere dem Hochglazial der Weichsel-Eiszeit, besonders stark betroffen waren, auch heute noch in Bewegung sind und nach und nach weiterwachsen werden.

Der Einfluss, den das Eis auf die Landschaftsformationen Schwedens und ganz Skandinaviens genommen hat, wird in glaziale und fluvioglaziale Landformen unterteilt. Während die glazialen Formationen durch den direkten Kontakt mit dem Eis und den davon ausgeübten Druck entstanden sind, sind fluvioglaziale Landschaftsformationen aus den Folgen des Abschmelzens der Eismassen hervorgegangen. Das Schmelzwasser des Hochglazials der Weichsel-Kaltzeit hat den Meeresspiegel um 125 Meter ansteigen und große Wasserflächen wie Skandinaviens große Seen und die beeindruckenden Fjorde entstehen lassen. Gleichzeitig haben Auswaschungen durch das Schmelzwasser die Landschaftsformationen nachweislich gravierend geprägt. Die Schären sind ein beeindruckendes Zeitzeugnis für diese geologische Erdentwicklung. Sie wurden durch die abschmelzenden Gletscher und die dadurch entstehenden Wassermassen rund geschliffen und zeigen sich heute in ihrer landschaftlichen Vielfalt als Vermächtnis des bisher letzten von wahrscheinlich sechs gravierenden Glazialen der Erdgeschichte.

Die Schärengärten Schwedens

Die Schären prägen Schwedens Landschaftsbild vom hohen Norden in Lappland entlang des Küstenstreifens bis in den Süden und ebenso an der malerischen Westküste des Landes. Ein einzelnen Formationen, größeren Archipelen und malerische-idyllischen Schärengärten präsentieren die beeindruckenden Landschaftsformationen die geografischen Auswirkungen der letzten Eiszeit, die sich in Skandinavien über mehr als ein Jahrhundert niederließ.

Aber nicht nur in den Küstenregionen sind die berühmten Schären zu finden. Auch im Landesinneren, in den Bereichen großer Binnenseen, können die charakteristischen Felsformationen bewundert werden. Die wohl beeindruckendste Schärenlandschaft im Landesinneren ist der Lurö Schärengarten im Vänernsee.

Schwedens am nördlichsten gelegener Schärengarten liegt in der Bottenwiek. In die Bottenwiek münden fünf große Flüsse und bringen von ihrer langen Reise ein so schwach salzhaltiges Wasser mit sich, dass von einer Brackwasserbucht gesprochen wird. In dieser Landschaft erstreckt sich ein Schärengarten von beeindruckender Größe. Über 4.000 Schäreninseln sind durch die Eis- und Wassermassen des letzten Glazials entstanden und bieten heute den fünf Gemeinden Haparanda, Kalix, Luleå, Piteå und Skellefteå eine Heimat.

Der Schärengarten von Höga Kusten ist im Jahr 2000 sogar zum Teil des UNESCO Weltnaturerbes ernannt worden. Der Schärengarten aus etwa 70 Inseln ist Teil der am höchsten gelegenen Küste der Welt und damit geografisch an sich schon eine echte Besonderheit.

Die wohl bekanntesten und am häufigsten bereisten Schärengärten Schwedens befinden sich in der Nähe von Stockholm und in Östergötland. Die in der Ostsee gelegenen Schärengärten Stockholms liegen etwa 60 Kilometer von Schwedens Hauptstadt entfernt und umfassen rund 24.000 eiszeitlich geschliffene Inselformationen. Auf den größeren Schäreninseln haben sich Siedlungen niedergelassen. Insbesondere auf den Schären Bildö und Sandhamm finden auch Gäste eine Unterkunft der besonderen Art. Im Vergleich zum Stockholmer Schärengarten ist die Landschaft ist Östergötland eher überschaubar. Rund 9.000 Schäreninseln zählen zu dem an der Südküste gelegenen Archipel. Charakteristisch ist der Schärengarten durch optische Dreiteilung in die Einzelgärten Gryt, Tjust und St. Anna, aber auch durch seine saftig grünen Oberflächen, die die Region zu einer der schönsten Küstenlandschaften Schwedens machen.

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