Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben ein effizientes Verfahren für die Biokatalyse von Wasserstoff entdeckt. Sie entwickelten halbsynthetische Hydrogenasen, wasserstoffbildende Enzyme, indem sie eine biologische Vorstufe des Proteins zu einem chemisch hergestellten inaktiven Eisenkomplex gaben. Im Reagenzglas bildete sich aus diesen Komponenten der biologische Katalysator von selbst. „Hydrogenasen aus lebenden Zellen zu gewinnen ist ausgesprochen schwierig“, sagt Prof. Dr. Thomas Happe, Leiter der AG Photobiotechnologie der RUB. „Die industrielle Anwendung lag daher in weiter Ferne. Jetzt sind wir in der Herstellung von biobasierten Materialien einen entscheidenden Schritt vorangekommen.“ Die RUB-Forscher berichten gemeinsam mit Kollegen vom MPI Mülheim und aus Grenoble in der Zeitschrift „Nature Chemical Biology“.
Hydrogenasen in der Anwendung: großes Potential, schwierige Umsetzung
„Unter optimalen Bedingungen kann ein einziges Hydrogenase-Enzym in einer Sekunde 9.000 Wasserstoff-Moleküle herstellen“, sagt Thomas Happe. „Die Natur hat einen Katalysator geschaffen, der ohne seltene Edelmetalle wie Platin unglaublich aktiv ist.“ Die Bochumer Forscher beschäftigen sich mit sogenannten Eisen-Eisen-Hydrogenasen, deren Katalyse auf einem kompliziert aufgebauten aktiven Zentrum beruht, das Eisen, Kohlenstoffmonoxid und Cyanid enthält – nur wenige Lebewesen können es herstellen. Um die langwierige und ineffiziente Produktion der Hydrogenasen zu umgehen, bauten Chemiker den katalytisch aktiven Bestandteil der Enzyme nach. Das gelang zwar, aber die chemischen Imitate, Mimics genannt, produzieren nur sehr geringe Mengen Wasserstoff (H2). Da es schwierig ist, aktive Hydrogenasen aus Lebewesen zu gewinnen, schlug Thomas Happes Team eine Verbesserung des Verfahrens vor, das die Bochumer mit ihren Kooperationspartnern im Juni 2013 in „Nature“ berichtet hatten.
Synthetischer Bestandteil erlaubt H2-Bildung „auf Knopfdruck“
Die Biologen der RUB gaben eine inaktive Hydrogenase-Vorstufe und eine inaktive chemische Komponente, die Kollegen in Grenoble synthetisierten, im Reagenzglas zusammen. In wenigen Minuten setzte eine starke H2-Bildung ein. Die Hydrogenase-Vorstufe hatte die chemisch hergestellte eisenhaltige Substanz spontan in ihr Proteingerüst integriert. Biophysikalische Messungen am MPI für chemische Energiekonversion in Mülheim ergaben, dass das so entstandene Enzym von der natürlichen Hydrogenase nicht zu unterscheiden ist. „Bisher ging man davon aus, dass so kompliziert aufgebaute Enzyme wie die Hydrogenasen Helferproteine benötigen, die die eisenhaltige Katalyse-Einheit einbauen“, erklärt Happe. „Als ich die Idee zu diesem Experiment das erste Mal vorgeschlagen habe, hat niemand geglaubt, dass es klappen könnte.“
Neues Verfahren ermöglicht Nutzung etablierter großtechnischer Prozesse
„Durch die Mimics ist das Arbeiten mit Hydrogenasen viel einfacher geworden“, resümiert Happes Doktorand Julian Esselborn. „Mit dem ‚Haustierchen der Biotechnologen‘ Escherichia coli produzieren wir schnell mehrere Milligramm Vorläufer-Hydrogenase. Dann geben wir einfach eine chemische Vorstufe hinzu und haben rasch zu 100 Prozent aktivierte Enzyme.“ Die industrielle Anwendbarkeit rückt also näher, denn großtechnische Verfahren zur Kultivierung von E. coli existieren bereits. „Die neue Methode verspricht ein Meilenstein in der Hydrogenase-Forschung zu werden“, meint Happe. Sie funktioniert mit Hydrogenasen unterschiedlicher Organismen. „Außerdem ist sie geeignet, neu entdeckte oder molekularbiologisch veränderte Hydrogenase-Proteine und verschiedenste – gegebenenfalls optimierte – chemische Substanzen im Hochdurchsatzverfahren zu analysieren“, ergänzt Julian Esselborn.
Wasserstoff – sauberer Energieträger
Hydrogenasen spielen in vielen einzelligen Lebewesen eine wichtige Rolle im Energiehaushalt. Für uns Menschen könnten sie dazu beitragen, einen sauberen Energieträger herzustellen, denn Wasserstoff verbrennt zu reinem Wasser. Biologen und Chemiker arbeiten daher schon seit Jahren daran, diese Enzyme und seine chemische Blaupausen industriell nutzbar zu machen – als günstiges und umweltfreundliches Material für neuartige Brennstoffzellen oder sogar zur direkten Herstellung von Wasserstoff aus Sonnenergie mittels Fotosynthese.
(Nature Chemical Biology, 2013; doi: 10.1038/nchembio.1311)
(Ruhr-Universität Bochum, 12.08.2013 – KSA)