Fallen die Temperaturen unter null Grad, bilden sich Eiskristalle auf den Blättern von winterharten Grünpflanzen. Trotzdem überstehen sie Frostphasen in der Regel unbeschadet. Mit einem besonderen Kryo-Rasterelektronenmikroskop konnten Forschende vom Zoologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) erstmals hochauflösende Bilder von Vereisungsprozessen auf heimischen Wildpflanzen und Pflanzen in der Antarktis aufnehmen. Dabei entdeckten sie verschiedene winzige Strukturen auf den Blattoberflächen, mit denen sich die Pflanzen gegen niedrige Temperaturen schützen. Ein besseres Verständnis dieser Schutzstrategien könnte auch für Nutzpflanzen oder Flugzeugoberflächen interessant sein.
Inspiration für technische Anti-Eis-Oberflächen
Flugzeuge werden zum Schutz vor Vereisung mit speziellen Flüssigkeiten behandelt oder mit beheizbaren Flächen ausgestattet. An geeigneten Beschichtungen für die Luftfahrt forschen Wissenschaft und Wirtschaft weltweit. „Viele unserer Wildpflanzen hingegen haben im Laufe der Evolution einen eigenen, natürlichen Schutz gegen Vereisung entwickelt“, erklärt Professor Stanislav Gorb, Leiter der Arbeitsgruppe Funktionelle Morphologie und Biomechanik. Seit über 20 Jahren erforscht der Zoologe zusammen mit seiner Ehefrau Dr. Elena Gorb, studierte Botanikerin, die Oberflächen von Pflanzen an der CAU.
Zur Frage, wie sich Pflanzen vor zu starker Vereisung schützen, hat sich die Forschung bisher vor allem auf den Zuckergehalt und andere chemische Prozesse in den Pflanzenzellen konzentriert. Das Kieler Forschungsteam konnte jetzt zeigen, dass auch die Oberflächenstruktur der Blätter eine wichtige Schutzfunktion bei Kälte einnimmt. Dafür untersuchten sie die Bildung von Eiskristallen auf verschiedenen Blättertypen heimischer Wildpflanzen. „Mit Härchen oder einer wachsartigen Schicht auf den Blättern kann die Pflanze eine Vereisung ihrer direkten Blattoberfläche vermeiden oder zumindest steuern. Denn bildet sich dort eine Eisschicht, erfrieren in Kürze auch die Zellen der Pflanze“, sagt Elena Gorb.
Verschiedene Blattoberflächen entwickelt
Durch Untersuchungen in der Natur und im Labor konnten die beiden Forschenden unterschiedliche Schutzmechanismen auf den Blättern ausmachen: