Phänomene

Das Morpho-Paradox

Ein optisches Gitter für den Blaustich

Das wahrscheinlich leuchtendste Blau der Welt – und das fast ohne Pigmente: Dieses scheinbare Paradox vollbringen die im südamerikanischen Regenwald lebenden Morphoschmetterlinge. Ihre beeindruckende Färbung erreichen sie allein durch die spezielle Oberflächenstruktur ihrer Flügel.

Morpho © IMSI MasterClips

Die meisten Schmetterlinge verdanken ihre Färbung einer Kombination von pigmentierten Grundschuppen und den darüberliegenden strukturierten Deckschuppen. Während erstere den farbigen Hintergrund bilden, sorgen die mit feinen Rippen oder Dellen versehenen Deckschuppen für eine zusätzliche physikalische Manipulation des Lichts und erzeugen das Schillern.

Doch bei Morpho herrscht „verkehrte Welt“: Statt glatter Grundschuppen unten und strukturierter Deckschuppen oben tragen seine Flügel ihre Strukturschuppen zuunterst. Die darüberliegenden Deckschüppchen sind einfach nur transparent und oft sogar zurückgebildet. Sie lassen das Licht unverändert passieren.

Das Entscheidende findet am Flügelgrund statt: Er ist mit einem „Fliesenboden“ aus dicht an dicht liegenden, 80 mal 200 Mikrometer kleinen Strukturschuppen ausgelegt. Dichte, regelmäßige Längsrippen bedecken diese Schuppen – auf einem Millimeter sind es bis zu 1.800 dieser nur einen Mikrometer hohen Grate. Diese wiederum bestehen ihrerseits aus Stapeln von sechs bis zwölf winzigen Chitinlamellen, auf Abstand gehalten durch Verstrebungen.

Und genau hier liegt das Geheimnis von „Morphos Blau“: Die verschachtelte Rippenstruktur arbeitet wie ein Reflexionsgitter. Das „Sandwich“ aus gleichmäßigen, sich abwechselnden Schichten aus Luft und Chitin beugt und reflektiert das eintreffende Licht so, dass nur Lichtstrahlen einer einzigen Wellenlänge durch Interferenz verstärkt werden – in diesem Falle das leuchtende Blau. Es wird von jeweils benachbarten Lamellen so gespiegelt, dass seine Wellenlänge genau um eine ganzzahlige Phase gegenüber dem Nachbarstrahl verschoben ist. Dadurch addieren sich ihre „Wellentäler“ und „-berge“ auf und das Leuchten verstärkt sich.

Dieses Prinzip hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der „einfachen“ Interferenz an einer mehrlagigen Schichtstruktur, wie sie von Papilio palinurus oder anderen Faltern genutzt wird: Die von den Schichtstrukturen erzeugten Farben sind nur aus einem bestimmten Blickwinkel zu erkennen, die am optischen Gitter erzeugten Farben Morphos entfalten ihre Pracht dagegen in fast alle Richtungen…

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Stand: 06.07.2003

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Farben ohne Farbe
Die "unsichtbaren" Färbetechniken der Natur

Es geht auch ohne Pigmente...
Strukturfarben in der Natur

Seifenblasen und Ölpfützen
Das Geheimnis der Interferenz

Wenn der grüne Schein trügt...
Papilio und das Geheimnis der Mehrschichtigkeit

Das Morpho-Paradox
Ein optisches Gitter für den Blaustich

Mininäpfe und Riesenzellen
Strukturfarben bei Vögeln

Funkeln in der Tiefe
Die Farben der Edelsteine

Farbentricks mit Abgucken
Technische Anwendungen von Interferenzfarben

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