Eigentlich galt es lange Zeit als das Mutterschaftshormon schlechthin – das Oxytocin. Es sorgt während der Geburt dafür, dass die Wehen einsetzen und regt den Milchfluss der Mutter beim Stillen an. Schwangere Frauen bekommen künstliches Oxytocin schon seit Jahren als Wehenstimulanz, wenn die Geburt zu lange auf sich warten lässt. Doch auch auf das Verhalten hat das Hormon dramatische Auswirkungen: Fehlt es, lehnen Tiermütter ihre Neugeborenen ab und zeigen keinerlei Motivation zum Füttern oder Säugen. Auch für Menschen wird ein solcher Zusammenhang inzwischen diskutiert.
In den letzten Jahren haben Forscher jedoch noch einen ganz anderen Aspekt des winzigen Peptidmoleküls entdeckt. Geburtshelfer dieser Erkenntnis waren zwei im Westen der USA beheimatete Mäusearten, die zwar eng miteinander verwandt sind, sich aber in einer entscheidenden Eigenschaft unterscheiden: in ihrem Sozialverhalten.
Eine Handvoll Gene und viele Rezeptoren…
Die Präriewühlmaus lebt extrem monogam. Wenn sich ein Männchen und ein Weibchen finden, gilt dieser Bund fürs Leben. Beide verbringen dann die meiste Zeit gemeinsam, erweisen sich als aufopferungsvolle Mütter und Väter und führen überhaupt eine mustergültige „Ehe“. Die Berg-Wühlmäuse dagegen nehmen es nicht ganz so ernst, bei ihnen ist der „One-night-stand“ die Regel und auch ansonsten herrscht eher Unverbindlichkeit.
Die Ursache dieser Unterschiede liegt nur in einer Handvoll Genen – darunter jenen, die für die Ausschüttung und Aufnahme der Hormone Oxytocin und Vasopressin verantwortlich sind. Wie Thomas Insel, Neurologe an der Emory Universität in New York herausfand, haben die treuen Prärie-Wühlmäuse nicht nur signifikant höhere Oxytocinkonzentrationen im Blut, in ihrem Gehirn fanden sich zudem auch erheblich mehr Rezeptoren für dieses Hormon.
…machen Casanova zum treuen Ehemann
Und auch ein Zusammenhang zum Sozialverhalten fand sich: „Wenn wir die Oxytocinproduktion blockieren, bilden sie keine langfristigen Beziehungen mehr. Normalerweise formen die Prärie-Wühlmäuse eine dauerhafte Bindung mit dem Partner, mit dem sie über mehrere Stunden kopulieren. Berg-Wühlmäuse tun letzteres zwar auch, es folgt jedoch keine Paarbindung daraus“, erklärt Insel.
Eine Paarbindung setzt allerdings voraus, dass sich die Wühlmaus merken kann, mit wem sie da gerade ausgiebig kopuliert hat. Forschungen des Neurologen Young zeigen, dass dies bei der Prärie-Wühlmaus in Form eines „Geruchsbildes“ ihres Partners tatsächlich der Fall ist – allerdings nur, wenn die Hormone Oxytocin und Vasopressin präsent sind. Wühlmäuse mit inaktiviertem Oxytocin- oder Vasopressin-Gen litten prompt unter sozialer Amnesie und erkannten Artgenossen überhaupt nicht mehr.
Ein ähnliches Prinzip könnte möglicherweise nicht nur bei Wühlmäusen gelten, sondern auch bei anderen Säugern – einschließlich des Menschen. Die amerikanische Neurowissenschaftlerin Diane Witt hat unter anderem die Mutter-Kind-Beziehung bei Ratten und anderen Säugetieren untersucht und auch hier wieder entscheidende hormonelle Einflüsse festgestellt, die sie durchaus für auf den Menschen übertragbar hält. „Eine krankhafte Situation in der zu viel Oxytocion oder eine erhöhte Sensibilität für das Hormon besteht könnte zu übersteigerter Bindung oder sogar Pädophilie führen. Ein Zuwenig dagegen Mitursache für eine krankhafte Gleichgültigkeit und Vernachlässigung dem Kind gegenüber sein.“
Stand: 19.11.2004