1867 versuchte ein junger Chemiestudent namens Alfred Nobel in Stockholm das Nitroglycerin als Sprengstoff in die Technik einzuführen. Da Nitroglycerin jedoch extrem empfindlich gegenüber Erschütterungen ist, kam es regelmäßig zu ungewollten Explosionen. Sein Ziel war es fortan, den Stoff so zu verändern, dass man besser mit ihm hantieren konnte, ohne jedoch etwas von seiner Sprengkraft einzubüßen. Die Lösung fand er eher durch Zufall, als er Nitroglycerin mit Kieselgur vermischte. Das hochexplosive, jedoch stoßunempfindliche Gemisch nannte er Dynamit und machte mit der Patentierung 1867 ein Vermögen.
Kieselgur wird aus fossilen Ablagerungen von Diatomeenschalen gewonnen und vielseitig verwendet. 70 Prozent der Kieselgurgewinnung werden bei industriellen Filtrationsprozessen verbraucht, besonders in der Zuckerraffinerie und im Brauereigewerbe. Bei der Produktion von Antibiotika werden störende Zellfäden über Kieselgurplatten abgetrennt. Da das Material die Eigenschaft hat, Trübstoffe an sich zu binden, verwendet man es auch bevorzugt bei der Reinigung von Wasser. Außerdem ist Kieselgur ein begehrter Zusatz in Reinigungsmitteln, Poliermitteln, Farben und sogar Zahnpasta. 1836 wurde Kieselgur erstmals bei Bohrungen in der Lüneburger Heide entdeckt.
Doch was genau steckt hinter diesen fossilen Ablagerungen? Diatomeen gibt es seit Beginn der Kreidezeit, also seit 135 Millionen Jahren. Ein Blick durchs Mikroskop zeigt, dass sie in außergewöhnlicher Formenvielfalt auftreten können. Auffällig und nicht zu übersehen sind ihre stabilen Zellwände, in die Kieselsäure eingelagert ist. Dadurch entstehen richtige Schalen, die den Algen eine einzigartige Form geben und vielfältig strukturiert sind. Man findet unter anderem Linien-, Löcher- und Rippenmuster. Die Wand umschließt das Zellinnere wie eine zweiteilige Schachtel mit Deckel.
Nun sollte man meinen, dass solch eine gewichtige Schale die Organismen am Schweben im Plankton hindert. Dieses Problem haben sie geschickt mithilfe von Öltröpfchen gelöst. In dieser Form werden Öle, die während der Photosynthese als Reservestoffe entstehen, gespeichert. Durch Auf- und Abbau der Öltröpfchen können die Diatomeen sogar bestimmte Wasserschichten aufsuchen. Größere Mengen schwebender Diatomeen täuschen in stehenden Gewässern schillernde Ölfilme vor.
Forensische Beweismittel
Eine praktische Anwendung finden Diatomeen mittlerweile auch in der Kriminalistik. Da bestimmte Kieselalgengemeinschaften oft charakteristisch für ein bestimmtes Gewässer sind, lässt sich anhand der gefundenen Arten in der Lunge und anderen Organen von Wasserleichen auf den Tatort schließen. Weiß man, wie sich die Diatomeen-Zusammensetzung im Lauf des Jahres in einem Gewässer verändert, kann man anhand der entnommenen Probe auch auf den Zeitpunkt des Todes schließen.
Doch Kieselalgen können noch viel mehr. Sie gelten auch als wichtige Indikatoren bei der Renaturierung von Hochmooren. Bereits nach einigen Wochen lässt sich allein anhand der Diatomeen Zusammensetzung sagen, ob sich ein Hochmoor entwickeln wird.
Stand: 15.04.2005