Die Anziehungskraft wird nicht nur von der Beschaffenheit der Materie beeinflusst, sie wirkt auch ihrerseits auf die Materie ein. Dies zeigt nicht nur das scheinbar ortsabhängig schwankende Körpergewicht, sondern auch das Verhalten von flüssigen und festen Stoffen: Denn sie folgen der Anziehungskraft, werden – wie der Name es schon andeutet – angezogen. Auf diese Weise versuchen die Masseverteilung und die Wirkung der Schwerkraft ein Gleichgewicht einzugehen.
Wasser lässt sich dabei durch seine geringe Dichte und seinen flüssigen Zustand sehr viel leichter von Kräften beeinflussen als träges Gestein. Ist die Anziehungskraft an einer Stelle geringer, sammelt sich hier weniger Wasser an als an Orten, an denen die Kraft stärker wirkt. Als Konsequenz ist die Wasseroberfläche dann nicht mehr glatt, sondern von Hügeln und Senken geprägt. Genau dies gilt auch für die Ozeane der Erde: Ohne Einflüsse wie Klima, Erdrotation oder Strömungen würden auch sie sich genau dem unregelmäßigen Erdschwerefeld anpassen. Gäbe es die Kontinente nicht, wäre die ganze Welt daher von einer verbeulten Wassermasse bedeckt. Die Höhenunterschiede der Beulen und Dellen veranschaulichen dabei das Ausmaß der lokalen „Schwereanomalien“, die um ± 0,05 m/s² von der Normalschwere, das heißt der Ellipsoid-Oberfläche, abweichen. Übertragen auf das Geoid – des Modells der irdischen Schwerkraft – ragen sie bis zu 85 Meter über der Ellipsoidfläche hinaus und graben sich bis zu 110 Meter in die mathematische Oberfläche ein.
Theoretisch folgt auch das feste Gestein der Erde dieser Anziehung und müsste Beulen und Dellen bilden. Zum einen überdeckt jedoch das durch Plattentektonik und Erosion geformte Relief der Landmassen die Wölbungen und zum anderen verformt sich die starre Erdkruste zwar tatsächlich durch den Anpassungsprozess. Aber lediglich mit einer Geschwindigkeit von zehntausenden von Jahren.
Für die Geophysiker sind dennoch alle lokalen Unterschiede und Abweichungen von der Schwerkraft deutlich erkennbar: Sie können sie mithilfe von äußerst sensiblen Messinstrumenten registrieren und konstruieren daraus mithilfe von komplexen Berechnungen ein Schwerkraftmodell der Erde. Dieses stellt die Welt als Ozeanoberfläche ohne Kontinente dar, die sich genau den Schwerevariationen mit allen Beulen und Dellen anpasst. Heraus kommt dabei – das Geoid: eine Kartoffel.
Stand: 25.11.2005