Um 2.000 v. Chr. begann Stonehenge erneut seine Form zu verändern. Vom Kontinent eingewanderte Menschen der Wessex-Kultur brachten nicht nur das Bronzezeitalter nach England, sondern verliehen auch der Megalithanlage nach und nach ihre heute sichtbare Gestalt. Und auch sie – obwohl kulturell von völlig anderer Herkunft als ihre Vorgänger – ließen sich dabei wieder von astronomischen Prinzipien leiten.
Sie errichteten zunächst den gewaltigen Innenkreis Stonehenges aus den so genannten Sarsensteinen, 30 von Decksteinen bedeckten Sandsteinpfeilern. Nach dem gleichen Prinzip stellten sie im Innern dieses Kreises fünf so genannte Trilithen in Hufeisenform auf. Diese bestanden jeweils aus einem Pfeilerpaar mit einem durch Zapfenverbindungen gesicherten Deckstein. Möglicherweise zur gleichen Zeit wurden auch die alten Blausteinhalbkreise zu einem Hufeisen innerhalb der Trilithen umgesetzt.
Und wieder weisen die Hauptblickrichtungen dieser Formationen auf die Eckdaten des Sonnenjahres und des Mondzyklus: Vom zentralen Altarstein gesehen ging die Sonne zur Sommersonnenwende zwischen zwei Sarsensteinen und damals vermutlich direkt über dem Fersenstein auf. Heute steht sie – wegen des Wanderns der Erdachse im Laufe von Jahrtausenden – zu diesem Zeitpunkt allerdings leicht neben dem Stein.
Ein Himmelscomputer aus Stein?
Einige Astronomen jedoch vermuten, dass im Steinheiligtum vor allem der Mond im Zentrum stand. Gerald Hawkins, ein amerikanischer Astronom, veröffentlichte bereits 1963 einen Artikel in der Fachzeitschrift „Nature“, in dem er Stonehenge als eine Art vorzeitlichen Computer zur Vorhersage von Mondfinsternissen beschrieb. Seiner Ansicht nach war die Übereinstimmung von zwölf größeren lunaren und solaren Ereignissen und den Ausrichtungen von Stonehenge zu gut, um ein Zufall zu sein.
Eine wichtige Rolle für seine Theorie spielte das Blausteinhufeisen: Die 19 Steine dieses Halbkreises könnten, so Hawkins, in Kombination mit den 30 Sarsensteinen, dazu genutzt worden sein, um den 18,6 Jahre dauernden Mondzyklus vorherzusagen. Dann hätten die Himmelsbeobachter von Stonehenge beispielsweise mit einem Marker den Verlauf des Mondmonats kartiert, in dem sie ihn jeden Tag einen Sarsenstein weiter platzierten. Weitere Marker könnten den Ablauf der Mondjahre anhand der Blausteine festhalten.
Sechs Steine als Finsterniszeiger
Noch genauer wäre die Berechnung allerdings, wenn nicht das Blausteinhufeisen sondern die Aubrey-Löcher aus der Frühzeit von Stonehenge mit einbezogen worden wären. Denn die Zahl 56 setzt sich aus dreimal 18,6 zusammen und spiegelt so den Mondzyklus sehr viel präziser wieder als die grobe Annäherung über die 19 Blausteine. Dieser bereits von den Mondwenden her bekannte Zyklus ließe sich dann auch zur Vorhersage von Mondfinsternissen nutzen. Denn zwischen zwei Mondfinsternissen, bei denen Sonne, Mond und Erde in genau der gleichen Ausrichtung stehen, vergehen ebenfalls 223 Vollmonde oder 18,6 Jahre.
Konkret sieht Hawkins Modell vor, dass drei weiße und drei dunkle Markersteine jeweils im Abstand von neun oder zehn Aubrey-Löchern jedes Jahr um ein Loch weiter bewegt werden. Landete ein beliebiger Marker in einem Jahr an einem der beiden direkt in der Hauptachse von Stonehenge liegenden Aubrey-Löcher, signalisierte er eine Mondfinsternis genau zur Winter- oder Sommersonnenwende. Erreichte dagegen ein weißer Marker eines von zwei weiteren spezifischen Löchern, stand in dem Jahr eine Finsternis zur Tagundnachtgleiche bevor.
Stonehenge als Sonnensystemmodell
Hawkins Theorie sorgte, insbesondere unter den britischen Archäologen, nicht gerade für Begeisterung. Wie konnte ein Amerikaner glauben, dass er – quasi aus der Ferne – das Geheimnis von Stonehenge entschlüsselt hätte? Sie beauftragten daher ihrerseits Fred Hoyle, in den 1960er Jahren Professor für Astronomie an der Universität von Cambridge mit einer astronomischen Analyse.
Er ging von nur drei beweglichen Markern aus, die für die Sonne, den Mond und einen der Mondknoten, der Schnittpunkte des Mondes mit der Erdbahn, standen. Sein Modell gilt zwar als genauer als das von Hawkins, weil es sogar den genauen Tag der Finsternis vorhersagen konnte, ist aber in der Handhabung relativ kompliziert. So musste beispielsweise der Sonnenmarker alle 13 Tage um ein Loch versetzt werden, der Mondmarker jeden Tag um zwei Löcher, der Knotenmarker sogar nur dreimal im Jahr, dafür aber dann gleich um 14 Löcher.
Symbol oder Beobachtungsinstrument?
Bis heute ist mehr als umstritten, ob die Menschen des alten Britannien Stonehenge wirklich in dieser Weise nutzten. Klar scheint bei diesem und anderen Megalithbauwerken bisher nur, dass sie in erster Linie als religiös-kultische Orte dienten und dass bei ihnen die Himmelsphänomene eine wichtige Rolle spielten. Ob die architektonisch-astronomischen Übereinstimmungen nur eine symbolische Abbildung des damaligen Himmelswissens waren oder ob Stonehenge und Co. tatsächlich als Observatorien genutzt wurden, ist bis heute ungeklärt –und wird es möglicherweise auch immer bleiben.
Stand: 01.02.2008