Pluto und sein größter Mond Charon bilden ein absolutes Ausnahme-Duo im Sonnensystem. Denn sie sind sich in Größe und Verhalten so ähnlich, dass sie weniger einem Planet-Mond-Gespann als vielmehr einem Doppelplaneten gleichen.
Mit einem Durchmesser von 2.280 bis 2.320 Kilometern ist Pluto gerade einmal knapp doppelt so groß wie Charon mit seinen 1.207 Kilometern. Und auch die Massen sind nicht sehr verschieden, sie stehen in einem Verhältnis von nur acht zu eins. Zum Vergleich: bei Erde und Mond liegt dieses bei immerhin 81:1. Weil beide Himmelskörper zudem einen Abstand von 17 Plutoradien voneinander haben, liegt der gemeinsame Massenschwerpunkt nicht im Inneren des Pluto, sondern zwischen ihm und seinem Mond – und das hat Folgen.
Im „Pas de deux“ mit Charon
Während unser Mond sich um die Erde als seinem zentralen Bezugspunkt bewegt, sind die Dominanzverhältnisse bei Charon und Pluto weitaus weniger deutlich ausgeprägt. Sie kreisen stattdessen um das zwischen ihnen liegende, gemeinsame Schwerkraftzentrum – wie spielende Kinder, die sich an den Händen halten und umeinander drehen.
Dieses „Spiel“ und die geringen Massenunterschiede wiederum wirken sich auch auf die Rotation der Himmelskörper aus: Sie wird durch die gegenseitig wirkenden Gezeitenkräfte soweit abgebremst, dass sich beide während eines Umlaufs von 6,4 Tagen genau einmal um sich selbst drehen. Pluto und Charon kehren einander daher immer die gleiche Seite zu. Eine solche „Hantelrotation“ ist im Sonnensystem eine absolute Ausnahme und bisher nur für diese beiden Partner bekannt.
Gäbe es sehende Lebewesen auf dem Pluto, könnten sie zudem ein seltsames Phänomen beobachten: Je nachdem, wo sie sich auf der Oberfläche aufhalten, würden sie den Mond entweder niemals sehen oder aber immer. Befinden sie sich auf der dem Charon zugewandten Seite, stünde der Mond zudem jede Nacht immer an der gleichen Stelle des Himmels. Scheinbare Variationen der Mondbahn wie bei uns auf der Erde gibt es nicht.
Dramatische Kollision im Orbit
Wie aber ist die ungewöhnliche Paarung dieser so ähnlichen Himmelskörper zu erklären? Auch dazu haben die Astronomen bisher nur eine Theorie parat. Eine gigantische Kollision, so vermuten sie, ereignete sich in der Frühzeit des Sonnensystems zwischen zwei annähernd gleichgroßen Protoplaneten. Sie prallten mit relativ geringer Geschwindigkeit leicht versetzt aufeinander und wurde beide zerstört.
Aus dem Großteil des Gerölls entstand bald der schnell rotierende Pluto, der Rest blieb jedoch noch eine Weile als Trümmergürtel in seinem Orbit. Erst im Laufe der Zeit ballten sich auch diese Trümmer zu einem größeren Objekt zusammen, dem Charon. Nach und nach bremste dieser die schnelle Drehung des Pluto ab und beide pendelten sich in der heute sichtbaren gebundenen Rotation ein.
Für diese Theorie spricht auch die Entdeckung von vier weiteren, sehr kleinen Monden des Pluto. Sie haben Durchmesser von rund zehn bis etwa hundert Kilometern und sind damit echte Winzlinge. Kein Wunder, dass Astronomen Nix und Hydra erst im Jahr 2005 aufgespürt haben, Kerberos 2011 und Styx schließlich im Jahr 2012. Erst kürzlich zeigte sich, dass sich einige dieser Monde sehr ungewöhnlich verhalten: Einige taumeln in ihrer Rotationsachse hin und her, zudem kreisen sie alle in einer Resonanz, ihre Umlaufzeiten entsprechen fast dem Verhältnis der ganzen Zahlen 3:4:5:6. Daraus schließen Forscher, dass sie ebenfalls ehemalige Trümmerteile der Kollision sein könnten.
Nadja Podbregar
Stand: 01.07.2015