Es klingt zunächst esoterisch – ist aber harte Wissenschaft: Am Untergang der Titanic waren auch kosmische Einflüsse schuld. Natürlich nicht im Sinne von mystischen Kräften, sondern ganz real, in Form von Schwerkrafteinwirkungen. Denn im Januar 1912, drei Monate vor dem Untergang der Titanic, gab es am Himmel eine besondere Konstellation, wie Donald Olson und Russel Doescher von der Texas State University Anfang 2012 herausfanden.
Sonne und Mond standen am 4. Januar 1912 genau in einer Linie, der kombinierte Einfluss ihrer Schwerkraft auf die Gezeiten war daher besonders stark, eine Springflut war die Folge. Doch dem nicht genug, war die Erde der Sonne zu diesem Zeitpunkt auch besonders nah, sie hatte erst am Tag zuvor den sonnennächsten Punkt auf ihrer Bahn passiert. Und noch etwas kam hinzu: „Es war die nächste Annäherung des Mondes an die Erde seit mehr als 1.400 Jahren und diese Konfiguration maximierte die Gezeitenwirkung des Mondes auf die Ozeane der Erde“, erklärt Olson.
Gezeitenkräfte reißen Eisberge los
Was aber hat dies mit der Titanic zu tun, mit einem Schiffsunglück volle drei Monate später? Der Schlüssel dazu liegt weit nördlich der Unglücksstelle, vor den Küsten Labradors und Neufundlands. Denn hier, in den flacheren Meeresgebieten, stranden viele Eisberge, die von Grönlands Westküste aus nach Süden wandern. „Aber eine extrem hohe Springflut kann die Eisberge wieder flott machen und die Ebbe trägt sie dann weit in den Labradorstrom hinaus, der sie dann weiter nach Süden transportiert“, sagt Olson. Langsam nach Süden driftend erreichten die Eisberge dann etwa drei Monate später genau das Meeresgebiet, das die meisten Ozeandampfer auf ihrer Route von Europa in die USA kreuzen mussten. „Dieses Szenario könnte erklären, warum im Frühjahr 1912 so ungewöhnlich viele Eisberge auf dieser Route lagen“, meint Olson.
Fernwirkung einer karibischen Hitzewelle
Und noch eine höhere Macht könnte sich gegen die Titanic verschworen haben: das Klima. Das zumindest vermutet der Meeresforscher Richard Norris von der Scripps Institution in San Diego. Wie er herausfand, war es im Frühjahr 1912 in der Karibik ungewöhnlich warm. Als Folge transportierte der Golfstrom besonders viel warmes Wasser aus den Tropen in den Nordatlantik. Dadurch war die Grenze zwischen dem Labradorstrom aus dem Norden und den Golfstrom aus dem Süden besonders ausgeprägt – die von Norden herangetriebenen Eisberge sammelten sich entlang dieser Übergangszone wie eine Barriere. „Letztlich bedeutet das, dass Eisberge, Meereis und Eisschollen genau an der Position konzentriert waren, an der die Kollision geschah“, erklärt Norris im Fachmagazin „Physics World“.
Nadja Podbregar
Stand: 12.04.2012