Bisher galt es als schlicht unmöglich und viel zu riskant: Schon der Versuch einer Landung auf einem so kleinen Gebiet wie dem Gale-Krater, einzwängt zwischen Berg und Kraterwand, hätte für bisherige Marssonden den glatten Selbstmord bedeutet. Mit einer Landeellipse von bis zu 150 Kilometern Länge wären sie mit viel Glück vielleicht sogar im 154 Kilometer großen Krater gelandet. Sie hätten bei ihrem nur von Fallschirmen gebremsten Absturz aber keine Chance gehabt, Hindernisse wie den Berggipfel oder die steilen Wände zu vermeiden.
Zig Schritte, sechs Konfigurationen und 76 Sprengladungen
Doch eine völlig neue Landetechnologie soll das Unmögliche nun möglich machen: Die NASA will den Curiosity-Rover am 6. August zielgenau in einem nur 20 Kilometer großen Gebiet genau am Fuß des Mount Sharp absetzen. Noch dazu muss der knapp tonnenschwere Rover dabei ausreichend abgebremst werden um sanft aufzusetzen. Simple Landehilfen wie Airbags, Bremsschilde oder Fallschirme würden bei so einem schweren Brocken nicht ausreichen. Stattdessen durchläuft die Sonde vom Eintritt in die Marsatmosphäre bis zur sicheren Landung eine komplexe Kette von mehreren Stadien, sechs verschiedenen Konfigurationen des Rovers und seiner Hilfsbauteile und das Abfeuern von 76 Sprengladungen.
„Wenn nur eine einzige Sache dabei schiefgeht, ist das Spiel aus“, sagt NASA-Teammitglied Tom Rivellini. Denn jeder Schritt Eintritts- und Landesequenz muss in perfekter Abfolge genau zur richtigen Zeit erfolgen. Und der Bordcomputer ist dabei völlig auf sich gestellt, ohne Hilfe von der Bodenstation auf der Erde. Denn im Gegensatz zu bisherigen Landungen besteht dank der in der Nähe wartenden Mars-Orbiter zwar Funkkontakt zur Erde. Aber jede Nachricht von der Raumsonde benötigt für den Weg etwa 14 Minuten. „Wenn wir die Meldung bekommen, dass die Sonde die Oberseite der Atmosphäre erreicht hat, kann sie also längst heil gelandet oder aber abgestürzt sein“, ergänzt sein Kollege Adam Steltzner.
Vor dem Atmosphären-Eintritt
Das ganze Drama beginnt mit einem Vorspiel, zehn Minuten bevor die Sonde in die Atmosphäre eintritt. Sie hat zu diesem Zeitpunkt einen 245 Tage dauernden und rund 390 Millionen Kilometer langen Flug hinter sich. Noch weit über der Marsatmosphäre, feuern zehn der insgesamt 76 Sprengladungen an Bord innerhalb von nur fünf Millisekunden. Sie sprengen alle Bauteile ab, die für den langen Flug von der Erde bis hierher gebraucht wurden, jetzt aber überflüssig geworden sind. Darunter sind Stromversorgungen, Kommunikationsmodule und eine Temperaturkontrolle, die die Sonde im All vor dem Auskühlen schützte.
„Wir haben im Prinzip drei Miniatur-Guillotinen an Bord, die beim Zünden der Sprengladungen Kabel und Metallleitungen zwischen der Eintrittskapsel und dem Rest durchtrennen“, erklärt Luke Dubord, Ingenieur am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena. Weitere Ladungen geben dem abgestoßenen Bauteil einen Schubs und schieben es aus dem Weg. Gleichzeitig beginnt nun das MEDLI-Instrument zu arbeiten. Es soll beim Eintritt Daten über die Atmosphäre und den Status des Hitzeschilds der Kapsel liefern.
Eine Minute später stoppen kleine Düsen die Eigendrehung der Sonde um ihre Achse und drehen die gesamte Eintrittskapsel so, dass der Hitzeschild nach vorne zeigt. Anschließend lösen weitere Sprengladungen zwei Wolframgewichte aus ihrer Verankerungen und verändern dadurch den Schwerpunkt der Kapsel so, dass sie für den Eintritt in die Atmosphäre optimal austariert ist.
Nadja Podbregar
Stand: 02.08.2012