Schon am Morgen beginnt unser Tag mit ersten Geschmackssensationen: Wir genießen das volle, leicht bittere Aroma einer Tasse Kaffee oder Tee. Der Geschmack verrät uns auch, ob die Milch sauer ist oder das Brot schimmelig. Aber wie genau funktioniert dies eigentlich?
Wie eine russische Puppe…
Das Geheimnis des Geschmacks beginnt auf der Zunge: Wenn wir in den Spiegel schauen, erkennen wir schon mit bloßem Auge zahlreiche winzige Erhebungen, die Geschmackspapillen. In diesen meist pilzförmigen Auswüchsen der Zungenhaut verbergen sich zwischen einer und 700 zwiebelförmigen Geschmacksknospen. Und wie bei einer russischen Matroschka-Puppe fächert es sich noch weiter auf: Denn jede dieser Knospen enthält zwischen 50 und 80 Geschmackszellen, die wiederum viele verschiedenen Sensoren auf ihrer Oberfläche tragen.
Diese Sensoren sind die Hauptakteure des Geschmacks. Sie registrieren fünf grundliegende Aromen: bitter, süß, salzig, sauer und umami – den für proteinreiche Nahrung typischen Geschmack der Aminosäuren Glutaminsäure und Asparaginsäure. Lange Zeit nahm man aufgrund von Geschmackstests an, dass diese fünf Sensoren jeweils nur in bestimmten Bereichen der Zunge vorkommen. Das aber wurde inzwischen widerlegt. „Jeder Teil der Zunge ist im Prinzip für alle fünf Geschmacksrichtungen sensibel, allerdings reagieren einige stärker als andere auf gestimmte Reize“, erklärt Leslie Stein vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia.
Nahrungs-Anzeiger und Warnsignal
Dass wir genau diese fünf Grundgeschmäcker wahrnehmen, hat einen biologischen Sinn. Denn jeder dieser Sinneseindrücke transportiert eine Information, die schon unseren fernen Vorfahren das Überleben erleichterte: Süßes zeigt an, dass eine Nahrung zuckerreich ist und damit viel Energie enthält. Umami signalisiert Proteinreichtum und damit ebenfalls Nahrhaftigkeit. Salz ist ein Mineral, das unser Körper für viele Funktionen braucht. Dieses schmecken und damit auch im Zweifelsfall gezielt zu sich nehmen zu können, ist daher lebenswichtig. Sauer ist ein Signal, das vor unreifen und damit potenziell unverdaulichen Früchten warnt.
Bitter ist besonders wichtig, denn es warnt vor Gift. Denn viele toxische Pflanzen und deren Inhaltsstoffe haben eine deutlich bittere Note. „Bitter ist daher quasi der biologische Code für Gefahr“, sagt Stein. Die große Bedeutung dieses Warnzeichens erklärt auch, warum wir Menschen bis zu 25 unterschiedliche Rezeptoren für verschiedene Bitterstoffe besitzen. „Ein Tier, das alles ablehnt, was irgendwie bitter schmeckt, hätte ein Problem. Denn nahezu jede pflanzliche Nahrung enthält mehr oder weniger stark vorschmeckende Bitterstoffe“, erklärt Monell-Forscher Gary Beauchamp. Daher sei es wichtig, dass Tiere und auch der Mensch, harmlose von gefährlichen Bitterstoffen unterscheiden können.
Die fünf Grundgeschmäcker allein erklären aber noch nicht, warum wir noch die feinsten Nuancen eines Gourmet-Menus genießen können und warum ein Weinkenner selbst die kleinen Unterschiede zwischen verschiedenen Jahrgängen oder Standorten einer Weinsorte herausschmecken. Schließlich geht es da um mehr als nur bitter, sauer, salzig, süß oder umami…
Nadja Podbregar
Stand: 19.10.2012