Als Albert Einstein am 14. März 1879 in Ulm geboren wurde, ahnten seine Eltern Hermann und Pauline Einstein natürlich noch nicht, dass ihr Sohn eines Tages Weltruhm erlangen und ein Foto von ihm mit ausgestreckter Zunge gewissermaßen zum Symbol für außergewöhnliche Intelligenz würde. Ein gutes Jahr später, im Juni 1880, zog die Familie nach München um, wo Hermann Einstein zusammen mit seinem Bruder Jakob eine elektrotechnische Firma gründete. Am 18. November 1881 bekamen Albert’s Eltern ein zweites Kind – seine Schwester Maria, genannt Maya.
Gerne lassen sich Biographen an diesem Punkt im Leben des Genies dazu hinreißen, ausführlich über die frühen Lernschwächen des jungen Albert Einstein zu berichten. So findet sich oft die Bemerkung, Albert habe erst mit drei Jahren zu sprechen gelernt, so dass seine Eltern bereits befürchten mussten, der Junge sei geistig zurückgeblieben. Selbst mit neun Jahren konnte er angeblich noch immer nicht fließend reden.
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Auch in der Schule schlug der spätere Nobelpreisträger keine typische Wunderkind-Karriere ein. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass seine Lehrer Alberts Leistungen als „kümmerlich“ einstuften. 1888 wechselte er auf das Luitpold-Gymnasium, doch auch dort sei er ein mittelmäßiger Schüler gewesen. Den strengen und autoritären Unterrichtsstil lehnte der freiheitsliebende Albert ab, so dass seine Lehrer ihm vorhersagten, er würde es nie zu etwas Rechtem bringen. Allgemein soll der Schüler Einstein ein bereits stark ausgeprägtes Desinteresse an einigen Fächern demonstriert und zum Beispiel den Unterricht für griechische Grammatik regelmäßig gestört haben. Das Bild des Versagers, der erst spät durch brilliante Gedankengänge von sich reden machte, vervollständigt sich durch den Umstand, dass Einstein mit 15 Jahren die Schule ohne Abschluss abbrach. Aufgrund mangelhafter Prüfungsleistungen fiel er 1895 auch durch die Aufnahmeprüfung der Polytechnischen Schule in Zürich.
Diese Vorstellung von Albert Einstein erfreut sich großer Beliebtheit: Das langsam lernende Kind, der mittelmäßige Schüler, der abgelehnte Student, der es später allen anderen zeigt und praktisch aus dem Nichts heraus auf einmal geniale Gedankengänge präsentiert. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Vielleicht konnte Albert tatsächlich erst mit drei Jahren sprechen, mit fünf Jahren aber erhielt er den ersten Privatunterricht und zeigte ein ausgeprägtes naturwissenschaftliches Interesse. Ein Taschenkompass, den sein Vater ihm zu dieser Zeit schenkte, ließ ihn erstmals über die Kräfte nachdenken, die die Nadel stets nach Norden ausrichteten. In der Volksschule war der Junge einer der Besten seiner Klasse. Mit 13 Jahren macht sein Onkel ihn mit dem Satz des Pythagoras (a² + b² = c², man wird sich aus eigener Schulzeit mehr oder weniger schmerzlich erinnern) bekannt. Falls Albert es selbständig schafft, diesen Satz zu beweisen, will der Onkel ihm ein Buch über euklidische Geometrie schenken. Allein die Tatsache, dass dieser Preis – wer wünscht sich mit 13 schon ein Geometrie-Buch? – den Jungen nicht davon abhält, sich an der Aufgabe zu versuchen, zeigt, dass Albert Einstein kein gewöhnlicher 13jähriger war. Der Beweis, der Pythagoras einst in den Olymp der unvergessenen Mathematiker erhob, gelingt ihm schließlich. Weiter vervollständigt der Junge auf autodidaktischem Wege sein Wissen in den Fächern, die ihn interessierten. Er liest zahlreiche naturwissenschaftliche Volksbücher und Kants „Kritik der reinen Vernunft“ – ebenfalls im Alter von 13 Jahren.
Auch den Abbruch der Schule kann man nicht isoliert betrachten. So musste sein Vater 1894 die Fabrik aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auflösen, woraufhin die Familie nach Mailand umzog. Albert blieb alleine in Deutschland zurück, um das Gymnasium zu beenden. Ohne Familie, gute Freunde und mit nur geringem Rückhalt bei den Lehrern hielt den Jungen nicht viel in Deutschland. Dennoch brach er die Schule nicht Hals über Kopf ab, sondern ließ sich zuvor von seinem Mathematiklehrer hochschulreife Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigen.
Die Aufnahmeprüfung am Polytechnikum besteht er tatsächlich nicht – trotz hervorragender Leistungen in Mathematik und Physik. Der Grund: Wissenslücken in anderen Fächern. Doch oft wird vergessen, dass Einstein zu dem Zeitpunkt mit seinen 16,5 Jahren sowieso noch weit unter dem Mindestalter von 18 lag. Albin Herzogs, Rektor des Polytechnikums ermunterte ihn, die Hoffnung nicht aufzugeben und an der Kantonschule in Aarau sein Abitur nachzuholen. Einstein fühlte sich an dieser Schule sehr viel wohler als am Luitpold-Gymnasium, machte seinen Abschluss und begann 1896, noch immer unterhalb des Mindestalters, seine Studien am Polytechnikum.
Vielleicht war Albert Einstein in jungen Jahren kein Musterschüler und möglicherweise hat er in Fächern, die ihn nicht interessierten, keine Glanzleistungen erbracht. Aber auf die einfache Formel „Schlechter Schüler wird Nobelpreisträger“ lässt sich sein früher Werdegang dann doch nicht reduzieren.
Stand: 22.03.2001