Medizin

Gehirnwäsche zum Standortwechsel

Wie Endoparasiten ihre Wirte umprogrammieren

Der Wechsel von einem Wirt in den nächsten stellt Endoparasiten vor ein Problem. Da der Wirtswechsel oft dem Zufall überlassen ist, sind die ungebetenen Untermieter auf eine gewaltig große Anzahl an Nachkommen angewiesen, so dass wenigstens einige den Sprung in die nächste Etappe des Entwicklungszyklus schaffen. Einige Parasiten haben jedoch Strategien entwickelt, dem Zufall nachzuhelfen.

Parasiten entern das Nervensystem

Der kleine Leberegel, ein Saugwurm, muss vom Zwischenwirt Ameise in den Endwirt, vorzugsweise ein Schaf oder Rind, gelangen. Am einfachsten und sichersten gelingt der Wirtswechsel, wenn zum Beispiel ein Schaf oder Rind eine befallene Ameise schluckt. Da Ameisen aber nicht besonders weit oben auf dem Speiseplan des typischen Weideviehs stehen, entern einige Metazerkarien das Nervensystem der befallenen Ameise und manipulieren ihr Verhalten. Die so kontrollierte Ameise kehrt dann nicht wie gewohnt ins Nest zurück, sondern verbeißt sich an der Spitze eines Grashalms. Dort wird sie leicht von einem weidenden Schaf gefressen.

Toxoplasma gondii © Dr. L.L. Moore / CDC

Ähnliche Manipulationen des Verhaltens wie der Leberegel sie an der Ameise bewirkt sind auch von anderen Endoparasiten bekannt. Der Kratzwurm macht Flohkrebse weniger lichtscheu, Fische entdecken ihre Beute so leichter und verbreiten den Wurm, wenn sie die Flohkrebse fressen. Andere Würmer wenden den gleichen Trick auf Fische an: Befallene Wirte zappeln im Wasser und fallen dadurch häufiger Seevögeln zum Opfer.

Toxoplasma: Parasit für Katzenliebhaber

Besonders diskutiert wird in den letzten Jahren immer wieder ein Parasit, der in großem Ausmaß auch den Menschen befällt: der Einzeller Toxoplasma gondii. Endwirt von Toxoplasma sind Katzen, ausschließlich in deren Darm kann sich der Parasit geschlechtlich fortpflanzen. Die Katze scheidet entstehende Oozysten mit dem Kot aus. Diese überstehen Trockenheit und Frost, und können jahrelang infektiös bleiben, bis sie von einem Zwischenwirt aufgenommen werden. Zwischenwirte sind bevorzugt Mäuse oder Ratten, aber beinahe jedes Wirbeltier, auch der Mensch, kann diese Funktion annehmen.

In Mäusen und Ratten bewirkt Toxoplasma eine radikale Verhaltensänderung. Die befallenen Nagetiere verlieren jegliche Furcht vor Katzen, dem eigentlichen Fressfeind. Katzenurin gilt normalerweise als Warnsignal für die Nagetiere, bereits der Geruch treibt sie in die Flucht. Eine Infektion mit Toxoplasma bewirkt das genaue Gegenteil, die eigentliche Warnung wirkt nun wie ein Sexuallockstoff. Taucht eine Katze auf, so flieht eine solche Maus nicht etwa, sondern lässt sich geradezu bereitwillig fressen.

Der Mensch kann sich entweder direkt infizieren, beispielsweise beim Reinigen eines Katzenklos oder bei der Gartenarbeit, oder aber durch infiziertes Fleisch, da auch Schweine und Rinder mögliche Zwischenwirte sind. Hohe Temperaturen zerstören die ansonsten stabilen Oozysten, von durchgebratenem Fleisch geht daher keine Gefahr aus.

Im Körper eines menschen oder anderen Zwischenwirts bilden die Toxoplasmen Zysten, wie hier zu sehen. © CDC

Symptome wie ein grippaler Infekt

Die Krankheit Toxoplasmose verläuft in den meisten Fällen unbemerkt, ohne erkennbare Symptome. Wenn sie merklich ausbricht, verursacht sie Fieber und Muskelschmerzen und wird daher leicht als grippaler Infekt abgeschrieben. Der vermeintliche Infekt stellt aber nur die erste Phase des Befalls dar, während sich der Parasit durch Teilung vermehrt und im Körper ausbreitet. Dabei suchen die Einzeller zahlreiche verschiedene Gewebe auf. Besonders in solchen Organe, in denen das Immunsystem weniger aktiv ist, wie im Gehirn oder in der Linse des Auges, lassen sie sich bevorzugt nieder.

In Personen mit geschwächtem Immunsystem kann es im Extremfall dadurch unter anderem zu Hirnhautentzündung, Leberschäden, Herz-, Augen- und Ohrenerkrankungen führen. Über die Plazenta wird der Parasit auch auf ungeborene Kinder übertragen und ruft dort Fehlbildungen hervor. Während der Schwangerschaft gilt daher besondere Vorsicht im Umgang mit Katzen und deren Fäkalien.

Schätzungen zufolge ist weltweit bis zu jeder dritte Mensch ein latenter Träger von Toxoplasma gondii. Der Einzeller ist damit einer der verbreitetsten Parasiten überhaupt. Dass ein mit Toxoplasma gondii infizierter Mensch sein Verhalten nicht so dramatisch ändert wie eine Ratte ist offensichtlich. In den vergangen Jahren häuften sich jedoch Studien, die auf subtile aber deutliche Veränderungen hinweisen.

Mehr Selbstmorde durch Parasitenbefall?

Einer dänischen Untersuchung zufolge sind infizierte Frauen selbstmordgefährdeter. Andere Forscher fanden Zusammenhänge zwischen Toxoplasmose und psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und Zwangshandlungen oder -gedanken. Eine Studie aus Tschechien zeigt, dass infizierte Männer langsamere Reflexe, aber eine höhere Risikobereitschaft an den Tag legen. Dies zeigt sich unter anderem in einem erhöhten Unfallrisiko: Toxoplasma-infizierte Männer waren 2,6 Mal so häufig an Verkehrsunfällen beteiligt wie nicht-infizierte.

All diese Zusammenhänge bedeuten noch nicht zwingend, dass der Parasit auch für das geänderte Verhalten verantwortlich ist. Durch die Mikrozysten im Gehirn wird Forschern zufolge der Botenstoff Dopamin verstärkt ausgeschüttet, was allerdings auch bei anderen vergleichbaren Infektionen passiert. Dopamin wiederum hat eine zentrale Bedeutung bei verschiedenen psychischen Krankheiten.

Demnach wären die beschriebenen Verhaltensänderungen nicht direkt durch den Parasiten verursacht, sondern nur ein Nebeneffekt der Infektion. Viele Wissenschaftler bewerten einen direkten Zusammenhang zwischen Parasitenbefall und Verhalten beim Menschen daher skeptisch. Vielleicht ist diese Skepsis aber auch nur ein weiterer Trick von Toxoplasma gondii, um weiterhin harmlos zu erscheinen und unbehelligt zu bleiben.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wirtskörper mit Vollpension
Die raffinierten Strategien und Anpassungen der Endoprasiten

Rausschmeißer Immunsystem
Wie Parasiten die Abwehr des Wirtes umgehen

Schwankendes Gleichgewicht
Angreifer, Opportunisten und nützliche Helfer

Von Zysten und Zerkarien
Viele Endoparasiten durchlaufen zahlreiche Entwicklungsstadien

Endwirt, Zwischenwirt - Fehlwirt?
Verwechslungsgefahr bringt Risiken für Parasit und Wirt

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Der Nachwuchs mancher parasitierender Insekten geht unter die Haut

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