Es ist der späte Abend des 13. März 1781. In der englischen Stadt Bath richtet der Astronom William Herschel wieder einmal sein selbstgebautes Spiegelteleskop gen Himmel. Während er einige kleinere Sterne in der Nachbarschaft des Sternbilds Zwillinge beobachtet, fällt ihm plötzlich ein Lichtpunkt auf, der deutlich größer erscheint als der Rest. „Ich vermutete daher, dass es sich um einen Kometen handelt“, erklärt Herschel wenige Zeit später in seinem Bericht. Weitere Beobachtungen in den folgenden Nächten zeigen, dass sich das Objekt tatsächlich entlang der Ekliptik über den Himmel bewegt.
Planet statt Komet?
Etwas allerdings ist seltsam: „Der Komet erscheint an seinen Rändern scharf abgegrenzt und extrem wohl definiert, ohne die geringste Spur eines Barts oder Schweifs“, resümiert Herschel. Und auch die Bewegung des Kometen ist erstaunlich langsam. Bei seiner Helligkeit müsste er sich mindestens im inneren Sonnensystem befinden und damit, durch die Schwerkraft der Sonne angezogen, sehr viel schneller fliegen als beobachtet.
Einige Nächte und Berechnungen später kommt Herschel zu einem ganz anderen Schluss: Der hell leuchtende Lichtpunkt ist mitnichten ein Komet, sondern es muss sich stattdessen um einen bisher unbekannten Planeten handeln. Das wiederum ist eine echte Sensation. Denn die anderen bisher dem Sonnensystem zugeordneten Planeten – Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn – sind bereits seit dem Altertum bekannt. Jahrhundertlang gab es zur Planetenfamilie keinen Zuwachs.
Uranus statt Georgs Stern
Durch die Entdeckung dieses fernen Planeten ist das Sonnensystem nicht nur in der Menge seiner Mitglieder gewachsen – seine Ausdehnung hat sich sogar fast verdoppelt. Kein Wunder also, dass Herschels Entdeckung sich in der Astronomengemeinde verbreitet wie ein Lauffeuer und auch die Öffentlichkeit regen Anteil nimmt. Bei dieser Gelegenheit stellt sich auch heraus, dass bereits früher Astronomen diesen Lichtpunkt entdeckt hatten. Weil ihre Teleskope aber nicht stark genug waren und sie die Bewegung nicht erkannten, hielten sie ihn für einen Fixstern.
Herschel hat auch schon eine Idee für einen Namen: Er möchte den neuen Planeten „Georgium Sidus“, Georgs Stern, nennen – zu Ehren des englischen Königs Georg III. Doch damit setzt er sich nicht durch. Der Himmelskörper erhält stattdessen später den Namen Uranus – auch, um im bisherigen Namensschema römischer Götter zu bleiben. Der römischen Mythologie nach war Uranus zwar kein Gott, aber dafür der Vater von Saturn, dieser wiederum der Vater von Jupiter.
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Passt perfekt ins System
Und noch in einer Hinsicht passt Uranus bestens ins Bild: Wie sich zeigt, umkreist er die Sonne in einer Entfernung von rund 19 astronomischen Einheiten – also dem 19-fachen des Abstand der Erde zum Zentralstern. Damit aber bestätigt er eine Hypothese, die bereits Johann Daniel Titius und Johann Elert Bode aufgestellt hatten: Sie errechneten, dass die Bahnen der Planeten um die Sonne einer bestimmten Zahlenregel folgen, die sich durch eine einfache Formel ausdrücken lässt. Mit ihr lässt sich daher sogar berechnen, an welcher Position eigentlich noch ein Planet existieren müsste – selbst wenn dieser noch nicht gefunden ist.
Der neu entdeckte Uranus passt in diese Zahlenfolge perfekt hinein – er kreist genau dort, wo er nach der Formel auch sein müsste. Seine Entdeckung sorgt damit dafür, dass die Titius-Bode-Formel quasi zur ehernen Regel wird, und stärkt auch die Vorstellung einer „Weltharmonie“, wie sie schon Johannes Kepler als Zeichen göttlicher Ordnung zu erkennen glaubte.
Nadja Podbregar
Stand: 30.05.2014