Wie lassen sich Dunkle Materie, Gravitation und andere physikalische Phänomene mit dem Standardmodell vereinbaren? Muss es erweitert werden? Physiker diskutieren in diesem Zusammenhang mehrere Möglichkeiten, darunter die Supersymmetrie, aber auch zusätzliche Dimensionen.
Ausweg Supersymmetrie?
Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte die Supersymmetrie (SUSY) bieten. Denn diese 1973 von Julius Wess und Bruno Zumino formulierte Theorie beschert der Physik auf einen Rutsch gleich einen ganzen Haufen neuer Teilchen. Nach ihr gibt es zu jedem Elementarteilchen des Standardmodells einen supersymmetrischen Partner. Dieser besitzt jeweils einen Spin, der um ein Halb über dem des „normalen“ Elementarteilchen liegt.
Zudem sind diese „Superteilchen“ wahrscheinlich sehr viel schwerer als ihre Partner – was erklären könnte, warum wir sie bisher nicht in Teilchenbeschleunigern nachgewiesen haben. Und genau an diesem Punkt setzt der aufgerüstete LHC an: Durch die höhere Energie können bei den Kollisionen auch schwerere Teilchen als bisher entstehen – und damit möglicherweise Vertreter der „Super-Teilchen“. Sollte dies gelingen, dann könnte die Theorie der Supersymmetrie endlich auch experimentell bewiesen werden – und damit ein Bereich der Physik jenseits des bisherigen Standardmodells.
Auch die rätselhaften WIMPs der Dunklen Materie ließen sich dann vielleicht fein säuberlich in das neue Schema einordnen. Denn einer Theorie nach sind sie nichts anderes als das leichteste der supersymmetrischen Teilchen. Theoretisch könnten auch sie sich in künftigen Kollisionen des LHC bemerkbar machen: „Wenn wir eine fehlende Beschleunigung sehen – mehr als vom Standardmodell vorausgesagt, dann könnten wir einen Kandidaten für die Dunkle Materie gefunden haben“, erklärt Steven Goldfarb, Mitglied der ATLAS-Kollaboration von der University of Michigan.
Jenseits unserer Dimensionen
Eine weitere Möglichkeit, die offenen Fragen zu erklären, wären zusätzliche Dimensionen. Höhe, Länge und Breite – für uns sind diese drei Dimensionen neben der Zeit als viertem Parameter der Maßstab aller Dinge. Aber es gibt in der Physik einige Theorien, die längst von weiteren Dimensionen ausgehen.
Solche Extra-Dimensionen könnten beispielsweise erklären, warum die Gravitation sich so anders verhält als die anderen Grundkräfte: Sie lässt sich nicht in Quanten-Päckchen stückeln und ist letztlich erstaunlich schwach. Denn obwohl sie die Erde in ihrer Bahn um die Sonne hält, reicht selbst die geringe Kraft eines kleinen Magneten, um ihre Wirkung auf eine Büroklammer zu überwinden – und ihn hochzuheben. Trotzdem wirkt sie auf alle Massen – egal wo sie sich befinden oder wie abgeschirmt sie sind.
Vertreter der Stringtheorie erklären dieses Phänomen damit, dass die Gravitation die einzige Grundkraft ist, die nicht nur in den uns bekannten Dimensionen wirkt, sondern sich zusätzlich auf weitere Dimensionen verteilt – und damit quasi „verdünnt“. Im Modell der „Braneworld“ bildet unser dreidimensionales Universum nur eine membranartige Untereinheit in einem höherdimensionalen Raum.
Weil alle Materie und fast alle Kräfte unseres Universums in dieser „Bran“ gefangen sind, merken wir davon aber nichts. Die einzige Kraft, die über die Bran hinaus wirken kann, ist nach diesem Modell die Gravitation.
Energieverlust als Signal?
Noch sind die Extradimensionen ebenso wie die verschiedenen Varianten der Stringtheorie reine Gedankengebäude. Doch auch hier könnten winzigste Energieverluste in den Hochenergie-Kollisionen einen Hinweis auf versteckte Dimensionen geben, das zumindest hoffen die Vertreter dieser Modelle. „Wenn der Energieverlust genau dem entspricht, was wir erwarten, könnte das ein sehr starker Beweis dafür sein, dass die Energie in diese Extradimensionen versickert ist“, erklärt der bekannte Stringtheoretiker Brian Greene.
Auch Teilchen, die bei den Kollisionen im Beschleuniger plötzlich verschwinden oder auftauchen, könnten nach Ansicht einiger Physiker ein Hinweis für weitere Dimensionen sein. Denn die Kollisionen könnten die versteckten Dimensionen gerade so weit öffnen, dass Teilchen sich zwischen unserer dreidimensionalen Welt und den anderen Dimensionen bewegen.
Nadja Podbregar
Stand: 10.04.2015