Astronomie/Kosmologie

Das Flachheits-Problem

Eine scheinbar unmögliche Raumkrümmung

Das zweite große Problem der Urknalltheorie ist das Flachheits-Problem. Aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie geht hervor, dass der Raum durch die Gravitation gekrümmt wird: Ein Stern erzeugt beispielsweise eine Art Delle im Raumzeit-Gefüge. Aber auch das Universum als Ganzes hat eine Geometrie.

Möglichkeiten der Raumkrümmung. Unser Universum entspricht fast dem untersten Fall - es ist nahezu flach. © NASA

Diese Raumkrümmung ergibt sich aus der Materie- und Energiedichte des Alls im Verhältnis zur Expansion. Denn je mehr Materie es gibt, desto stärker wirkt ihre Schwerkraft der ausdehnenden Kraft entgegen. Ist die Dichte des Universums zu gering, dann geht die Expansion ewig weiter – die Raumkrümmung ist negativ. Enthält das Universum dagegen genügend Masse, um die Expansion zu stoppen und irgendwann sogar zu einem Kollaps des Universums zu führen, spricht man von einer positiven Krümmung.

Fast flach

Doch Messungen der Weltraumobservatorien WMAP und Planck zeigen, dass das Universum auf dem schmalen Grat zwischen diesen beiden Extremen liegt: Es ist flach. Das bedeutet, dass die Dichte nahe am kritischen Wert 1 liegt. Sie reicht demnach fast genau aus, um die Balance zwischen ewiger Expansion und einem Kollaps zu halten.

Das klingt erstmal prima, aber der entscheidende Knackpunkt verbirgt sich im Wörtchen „fast“. Denn nach der Allgemeinen Relativitätstheorie kann ein Wert so nahe an der kritischen Dichte eigentlich nicht sein. Hätte das Universum genau die kritische Dichte, dann wäre alles wunderbar: Es bliebe vom Urknall bis heute und in die ferne Zukunft alles stabil. Aber wenn beim Urknall die Dichte nur ein kleines bisschen abwich, dann hätte sich diese Abweichung seither drastisch verstärken müssen.

Ein auf der Spitze balancierender Bleistift

Der US-Physiker Alan Guth vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) vergleicht dies mit einem Bleistift, der auf seiner Spitze balanciert. Steht er genau senkrecht, kann er sich ausbalancieren und bleibt stehen. Wird er aber nur ein wenig ausgelenkt, verliert er das Gleichgewicht und fällt um. Das bedeutet: Eigentlich müssten wir heute eine Dichte im Universum von entweder genau 1 oder aber einem Wert sehr viel größer oder kleiner als 1 messen.

Doch das ist nicht der Fall. Stattdessen liegt der Dichtewert seltsamerweise bei „fast 1“ – der Bleistift ist quasi leicht schräg in der Luft stehen geblieben statt umzufallen. Oder anders ausgedrückt: Das Universum ist seit Milliarden von Jahren „fast flach“. Warum das so ist, lässt sich mit dem klassischen Urknallmodell nicht erklären. „Eine simple Explosion liefert uns keine Erklärung für dieses extreme Fine-Tuning“, sagt Guth. Kosmologen sprechen deshalb vom Flachheits-Problem.

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Nadja Podbregar
Stand: 22.05.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der große Schub
Rätsel um die kosmische Inflation

Urknall – und dann?
Von fast Null auf Unendlich

Das Horizont-Problem
Die unerklärliche Gleichheit allen Seins

Das Flachheits-Problem
Eine scheinbar unmögliche Raumkrümmung

Exponentielle Ausdehnung
Die Erfindung der kosmischen Inflation

Prinzip Trockenpflaume
Welche Probleme löst die Inflation?

Zu früh gefreut
Die Suche nach einem Beweis für die Inflation

Der Motor
Was hat die kosmische Inflation angetrieben?

Auf tönernen Füßen
Warum die Inflation auch Fragen aufwirft

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