Der Mars ist für seine gewaltigen Staubstürme bekannt. Kein Wunder, dass sie auch im „Marsianer“ eine prominente Rolle spielen. Gleich zu Anfang zerstört ein solcher Sturm Teile des Camps der Astronauten und reißt die Hauptantenne um. Letztlich ist dieser Sturm es auch, der dafür sorgt, dass der vermeintlich tote Watney von seinen flüchtenden Missionskollegen zurückgelassen wird. Aber was ist dran an dieser dramatischen Szene?
„Jedes Jahr gibt es mehrere große Staubstürme auf dem Mars, die kontinentgroße Flächen bedecken und wochenlang anhalten können“, erklärt der Planetenforscher Michael Smith vom Goddard Space Flight Center der NASA. Etwa alle drei Marsjahre wachsen diese lokalen Wirbel sogar zu einem globalen Staubsturm heran. Die Staubwolken verhüllen dann den gesamten Planeten und selbst so markante Landmarken wie die Schluchten des Valles Marineris oder der Olympus Mons verschwinden unter dem braunrötlichen Schleier. Und sogar Blitze können sich in diesen marsianischen Stürmen entladen.
Der Druck reicht nicht aus
Auf den ersten Blick erreichen die Staubstürme auf dem Roten Planeten durchaus beachtliche Windgeschwindigkeiten: Mit maximal rund 100 Kilometer pro Stunde bläst es bei den stärksten Stürmen. Das entspricht etwa der Windstärke zehn auf der Erde und damit einem schweren Sturm auf der Beaufortskala.
Allerdings: „Der entscheidende Unterschied zwischen Erde und Mars ist der atmosphärische Druck“, erklärt Smiths Kollege William Farrell. Die Marsatmosphäre ist nur etwa einen Prozent so dicht wie die der Erde. Das aber bedeutet, dass selbst bei hohen Windgeschwindigkeiten sehr viel weniger Gas bewegt wird. „Dadurch weht es nicht mit der gleichen Intensität“, so Farrell. Dass ein marsianischer Staubsturm schwere Ausrüstungsteile wie den Antennenmast wegreißen kann, ist nach Ansicht der beiden NASA-Forscher deshalb extrem unwahrscheinlich.
Klebrig und fein
Eine Gefahr ist dafür durchaus real: Der Energieverlust durch den feinen Staub, den ein solcher Sturm aufwirbelt. Astronaut Mark Watney muss deshalb auf seinem Weg zum Landeplatz der Ares-4-Mission sogar einen Umweg fahren, weil sonst seine Solarzellen nicht genügend Strom erzeugen. Zudem muss er auch am Habitat jeden Tag Staub von den Hauptsonnensegeln wischen, um ihre Effektivität zu erhalten.
Das Problem der einstaubenden Sonnensegel haben auch die Rover und Landesonden der NASA: „Der Curiosity-Rover ist nach dem Fahren immer völlig eingedreckt“, sagt Smith. „Der Staub bedeckt alles und setzt sich auch in alle mechanischen Bauteile.“ Der Grund dafür ist die Beschaffenheit des Marsstaubs: Er ist sehr fein und leicht elektrostatisch aufgeladen. Dadurch klebt er förmlich an allen möglichen Oberflächen.
„Ziemlich realistisch“
Das größte Problem für die Energieversorgung ist aber der Staubschleier in der Atmosphäre des Mars. Denn er fängt bei einem Sturm einen Teil des Sonnenlichts ab und sorgt so für einen Leistungsabfall der Solarzellen. Die Schilderung, wie Watney anhand der schleichenden Abnahme der Solarleistung den drohenden Staubsturm erkennt, sei daher durchaus realistisch. „Das ist eine ziemlich akkurate Beschreibung dessen, was ein Staubsturm macht“, sagt Smith.
Bei einem Staubsturm sind die realen Marsrover daher ebenfalls vom Stromausfall bedroht: „Spirit und Opportunity mussten bisher erst einen globalen Staubsturm im Jahr 2007 überstehen“, sagt Smith. Der feine Schleier des umherwehenden Staubes reichte dabei aus, um die Leistung ihrer Solarzellen drastisch zu senken. „Daher wurde währenddessen ihr Betrieb heruntergefahren und sie verbrachten mehrere Wochen im Ruhezustand“, so der Planetenforscher.
Das fahrende Marslabor Curiosity ist bisher von Stürmen verschont geblieben. Aber vielleicht nicht mehr lange. „Der nächste globale Staubsturm ist längst überfällig“, erklärt Smith. „Es könnte daher noch in diesem Jahr einen richtig großen geben.“
Nadja Podbregar
Stand: 08.10.2015