29. Mai 1919: Am Himmel über Westafrika geschieht etwas: Der Mond schiebt sich vor die Sonne und verdunkelt sie – eine Sonnenfinsternis. Eine solche Eklipse ist zwar ein faszinierendes Schauspiel, aber so selten nun auch wieder nicht. Dennoch sorgt diese Finsternis auf fast der ganzen Welt für gespannte Erwartung. Der Grund: Diese Verdunkelung der Sonne könnte den entscheidenden Beweis für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erbringen.
Verzerrte Sternenpositionen als Beweis
Nach Einsteins Theorie krümmen große Massen die Raumzeit und als Folge wird selbst das Licht in der Nähe eines solchen Körpers abgelenkt. Übertragen auf den Himmel bedeutet dies: Wenn das Licht ferner Sterne dicht an der Sonne vorbeistrahlt, dann müsste die Schwerkraft der Sonne seine Bahn leicht verändern. Die scheinbare Position der Sterne erschiene verzerrt.
Dummerweise lässt sich dies aber unter normalen Umständen nicht nachweisen, weil die Sonne jeden noch so hellen Stern überstrahlt. Deshalb kommt hier die Sonnenfinsternis ins Spiel: Während der Mond die helle Sonnenscheibe verdeckt, wird es gerade dunkel genug, um nahe Sterne noch erkennen zu können. Vergleicht man ihre Position nun mit der zu einem Zeitpunkt, an dem die Sonne weit von ihnen entfernt steht, kann man feststellen, ob es eine Verzerrung durch die Sonnenschwerkraft gibt.
Expedition mit Hindernissen
Genau diesen Effekt will am 29. Mai 1919 der britische Astronom Arthur Eddington mit seinem Team überprüfen. Er hat über Umwege von Einsteins neuer Theorie der Gravitation und ihren Auswirkungen auf das Licht erfahren – denn 1915 lagen Deutschland und England noch im Krieg. Begeistert studiert Eddington Himmelskarten und findet heraus, dass die Sonne während ihrer Verfinsterung dicht an dem gut sichtbaren Sternehaufen der Hyaden stehen wird.
Allerdings: solange der Erste Weltkrieg andauert, hat der Astronom kaum eine Chance, die spezialisierten Teleskope zu bekommen, die er für die Beobachtung benötigt. Die Zeit wird knapp. Als der Krieg im November 1918 endet, muss daher alles sehr schnell gehen. Doch Eddington hat Glück: Er und sein Team können im Februar 1919 per Schiff nach Principe, einer kleinen Insel im Golf von Guinea, aufbrechen. Ein zweites Team schifft sich nach Sobral in Brasilien ein, um die Messungen von dort aus durchzuführen.
Als der entscheidende Moment endlich da ist, droht alles in letzter Minute zu scheitern: Der Himmel über Principe ist bewölkt und in Sobral hat der große Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht die Optiken verzogen. Dennoch gelingt es beiden Teams, ein paar Aufnahmen des Himmels im Umfeld der Sonne zu machen. Zurück in Großbritannien, machen sich die Astronomen nun daran, ihre Daten auszuwerten.
Superstar Einstein
Am 6. November 1919 ist es endlich soweit: Eddington und seine Mitstreiter veröffentlichen die Ergebnisse ihrer Messungen. Und tatsächlich: Das Team aus Sobral kommt auf eine Positionsverschiebung von 1,98 Bogensekunden, Eddington hat in Principe eine Verzerrung von 1,61 Bogensekunden gemessen. Damit liegen beide weniger als zwei Standardabweichungen von Einsteins errechnetem Wert von 1,74 entfernt. Seine Theorie ist damit bestätigt.
Die Nachricht vom Beweis der Allgemeinen Relativitätstheorie geht um die Welt – und macht Einstein fast über Nacht zum Star. Die London Times titelt am nächsten Tag: „Revolution in der Wissenschaft – Neue Theorie des Universums“. Und auch in anderen Ländern ziert nun Einsteins Konterfei die Titelseiten der Zeitungen, erscheinen populärwissenschaftliche Texte, die die Bedeutung der neuen Theorie für das physikalische Weltbild erklären.
Nadja Podbregar
Stand: 20.11.2015