Einen weiteren Hinweis darauf, warum sich unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit von der bewährten Tradition des Jagens und Sammeln abkehrten, könnten Archäologen um Gordon Hillman vom University College London im nordsyrischen Abu Hureyra gefunden haben. Vor rund 11.500 Jahren lag hier, am Ufer des Euphrat, eine Siedlung, in der knapp 200 Menschen lebten.
Aber obwohl diese Menschen allem Anschein nach schon sesshaft waren, handelte es sich nicht Bauern. Stattdessen lebten die Bewohner von Abu Hureyra zunächst noch als Jäger und Sammler. Sie profitierten vom Wildreichtum und dem reichen Pflanzenwuchs im feuchtwarmen Klima dieser Zeit, wie die Funde zahlreicher Tierknochen und Pflanzenreste belegen.
Klimawechsel frisst Nahrung
„Doch 300 bis 400 Jahre nach der Gründung dieser kleinen Siedlung deuten Veränderungen in den Nahrungspflanzen darauf hin, dass das Klima in diesem Gebiet begann, trockener zu werden“, berichtet Hillman. Im Zweistromland brach eine Periode kühleren, trockeneren Wetters an, die sogenannte jüngere Dryas. Als Folge veränderte sich die Pflanzenwelt im fruchtbaren Halbmond, die bis dahin üppig wachsenden wilden Linsen, Eicheln und Früchte verschwanden.
„Man kann sich fragen, warum die Bewohner Abu Hureyras nicht einfach fortzogen“, konstatiert Hillman. „Aber höchstwahrscheinlich gab es diese Option damals gar nicht, denn im weiteren Umkreis bot Abu Hureyra noch die besten Bedingungen.“ Andere, klimatisch günstige Regionen in der westlichen Levante waren zudem bereits von anderen Gruppen besetzt. Sie hätten die einwandernden Nahrungskonkurrenten wohl kaum mit offenen Armen empfangen.
Säen als Notlösung
„Die Leute von Abu Hureyra mussten daher eine lokale Lösung für dieses Problem finden“, so der Archäologe. Und genau das taten sie offenbar auch: Sie begannen, die Samen von wildem Roggen und wildem Weizen gezielt auszusäen, um ihren Nahrungsnachschub zu sichern. Sie gelten damit als frühe Vertreter des Natufien. Indizien dafür liefern zahlreiche Reste von Roggen- und Weizenkörnern in den Ruinen von Abu Hureyra.
Interessanterweise nahm die Menge dieses Getreides kurz nach dem Klimaumschwung sogar noch zu, wie die Forscher feststellten. Zu dieser Zeit wären diese Wildgetreide in der trockener gewordenen Region aber kaum noch von selbst gewachsen. „Die dennoch anhaltende Präsenz von wildem Roggen und Weizen um Abu Hureyra deutet daher darauf hin, dass diese Wildgetreide gezielt ausgesät worden sein müssen“, so Hillmans Schlussfolgerung.
Triebkraft auch anderswo?
Seiner Ansicht nach legt dies nahe, dass der Anbau von Nahrungspflanzen bei unseren Vorfahren ursprünglich aus einer Notlage entstand – als Reaktion auf schwindende natürliche Ressourcen. „Weil die Bewohner von Abu Hureyra keine Ahornsamen, Früchte und Linsen mehr fanden, begannen sie, die Samen der wenigen verbliebenen Wildgetreide zu sammeln und auszusäen“, erklärt der Forscher.
Einige hundert Jahre später dann folgte bei den Bewohnern von Abu Hureyra dann auch der zweite Schritt der neolithischen Revolution: Die gezielte Auslese der Samen und die allmähliche Zucht ertragreicherer Getreidesorten. Zudem begannen sie aus Mangel an jagdbaren Gazellen, nun wilde Ziegen, Schafe und Rinder zu halten.
Nadja Podbregar
Stand: 05.02.2016