Inzwischen ist klar: Die sagenumwobene Hauptstadt des großen Khmerreiches lag auf dem Phnom Kulen. Schon rund 300 Jahre vor der Gründung Angkors legten die Khmer hier die Grundlagen für die Baukunst und Technologien, die später die Tempelstädte in der Ebene so berühmt machen sollten. Wie Mahendraparvata im 9. Jahrhundert aussah und welches Ausmaß diese Stadt erreichte, haben Archäologen erst im Laufe der letzten Jahre nach und nach aufgedeckt.
„Wir hatten schon vermutet, dass die Kampagne von 2012 nur einen Ausschnitt von einem noch viel ausgedehnteren urbanen Netzwerk auf Phnom Kulen erfasst hat“, berichtet Damien Evans. Neue Lidar-Messungen im Jahr 2015 bestätigte diese Verdacht. „Die Daten zeigen, dass die archäologischen Relikte weit über die zuvor entdeckten Grenzen hinausgehen“, so der Archäologe. „Wir haben nun Beweise dafür, dass sich die Stadtlandschaft über mindestens 40 bis 50 Quadratkilometer erstreckte.“
Eine „hydraulische Stadt“
Die Laserscans zeigen auch, wie fortgeschritten schon damals die Infrastruktur und vor allem die Wasserbaukunst der Khmer war: Schon in Mahendraparvata konstruierten sie ein raffiniertes System von Dämmen, Zisternen und Kanälen, durch die das Wasser in der gesamten Stadt verteilt wurde. Die in der Regenzeit gefüllten Wasserspeicher sorgten dafür, dass Stadt und umliegende Felder mit einem konstanten Wasserstrom versorgt wurden.
Die Archäologen sehen in Mahendraparvata eine echte „hydraulische Stadt“ – und einen Masterplan, der später in Angkor eine zweite Blüte erlebte. „Sowohl im nordöstlich gelegenen Koh Ker als auch in Phnom Kulen gibt es Hinweise darauf, dass es dort schon hydraulische Bauwerke im Umfang und Stil von Angkor gab“, berichten Evans und seine Kollegen. Das zeige, dass nicht nur die späteren Khmer-Großstädte im Flachland von der Bewässerungstechnologie abhängig waren, sondern auch schon ihre erste Hauptstadt im Hochland.
Dämme und Mega-Steinbrüche
Besonders beeindruckend sind zwei riesige Dämme in der zentralen Senke des Phnom Kulen-Plateaus. Der größere Damm ist einen Kilometer lang, 60 Meter breit und bis zu zwölf Meter hoch. Im rechten Winkel dazu steht der etwas kleinere Damm mit 280 Metern Länge und bis zu 3,60 Metern Höhe. Beide schließen ein großes Wasserreservoir ein, ein sogenanntes Baray. Dieses riesige Reservoir wurde Mitte des achten Jahrhunderts geflutet und mindestens 400 Jahre lang genutzt wurde, wie Sedimentanalysen ergaben.
Bis heute sichtbar sind zudem die großen Steinbrüche, die sich um den gesamten Rand des Phnom Kulen ziehen. Der hier abgebaute Sandstein lieferte vermutlich nicht nur Baumaterial für Mahendraparvata, sondern vor allem für die später errichtete Megacity im Tiefland – Angkor. „Unsere Daten zeigen, dass das gesamte Gebiet zwischen Beng Mealea und Phnom Kulen ein einziger großer Steinbruch von rund 500 Hektar Größe war“, berichtet Evans. „Es scheint klar, dass dies die Hauptquelle für das Baumaterial der Tempel von Angkor war.“
Nadja Podbregar
Stand: 19.05.2017