Phänomene

Wenn Schäfchenzählen nichts mehr hilft…

Dem Rätsel des Schlaf-Wach-Rhythmus auf der Spur

Fast jeder kennt das: Man wälzt sich ruhelos in den Kissen, zählt Schäfchen bis zum Geht-nicht-mehr, aber der Schlaf will einfach nicht kommen. Am häufigsten leiden Schichtarbeiter, Reisende mit Jetlag oder ältere Menschen unter Schlafstörungen, prinzipiell kann diese „Seuche der Zivilisation“ aber jeden treffen. Für Chronobiologen ein Grund, sich diesem Phänomen besonders anzunehmen.

Chemische Struktur des "Schlafhormons" Melatonin. © Jynto / gemeinfrei

Gut geschützt in die Nacht

Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass das Hormon Melatonin eine entscheidende Rolle für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus spielt. Die Konzentration dieses Botenstoffes steigt rund zwei Stunden vor der Schlafperiode an und signalisiert: „Schlafenszeit“. Wir werden müde, antriebsschwach, unsere Leistungsfähigkeit lässt nach.

Gleichzeitig läuft jedoch unser Immunsystem auf Hochtouren, angeregt vom Melatonin. Die Nacht über bleibt dieser Zustand stabil: Müde aber gut gegen Angriffe von außen geschützt. Morgens sobald es hell wird, sinkt der Melatoninspiegel wieder, die Müdigkeit verschwindet. Wir sind wach und ausgeruht – meistens jedenfalls.

Schaltstelle Zirbeldrüse

Verantwortlich für die Steuerung der Melatoninprouktion ist in erster Linie die Zirbeldrüse oder Epiphyse. Lange Zeit hatten Forscher vergeblich versucht, hinter die Funktion des kleinen kegelförmigen Gebildes im Mittelhirn zu kommen. Der französische Philosoph und Naturforscher Descartes vermutete, dass die Zirbeldrüse Licht sehen könne und hielt sie für eine wesentliche Schaltstelle zwischen äußerer und innerer Welt.

Wie man heute weiß, lag er damit gar nicht so falsch. Denn die Zirbeldrüse ist nicht nur der Produktionsort des Schlafhormons Melatonin, sie ist auch über eine Nervenverbindung direkt mit der Hauptuhr des menschlichen Körpers, dem SCN, verbunden. Die Hauptuhr kann so direkt auf die Melatoninproduktion in der Zirbeldrüse Einfluss nehmen und damit den Takt vorgeben. Die Zellen des SCN wiederum tragen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für das Melatonin, über diese Rückkopplung kann daher auch die Hauptuhr von der Zirbeldrüse beeinflusst werden.

Innere Uhr ohne äußere Zeitgeber

Diese doppelte Rückkopplung ist vor allem dann wichtig, wenn die inneren Rhythmen aus dem Tritt geraten. Denn normalerweise haben sowohl Schlafen und Wachen als auch Temperatur, Blutdruck und andere Stoffwechselvorgänge auch dann noch einen annähernd 24-stündigen Rhythmus, wenn äußere Zeitgeber fehlen.

Schon in den 1960er Jahren zeigten dies Versuche, bei denen Testpersonen für mehrere Wochen in einem speziellen Isolationslabor lebten. Die Testpersonen konnten das Licht nach Belieben an oder ausschalten, hatten aber keinerlei zeitliche Anhaltspunkte. Trotzdem pendelte sich ihr Schlaf-Wach-Rhythmus durchschnittlich bei 24 Stunden und 11 Minuten ein, es gibt also auch für den Schlaf einen von äußeren Einflüssen unabhängigen endogenen Rhythmus.

Doch was geschieht, wenn die äußeren Zeitgeber plötzlich nicht mehr mit diesem inneren Rhythmus übereinstimmen?

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Stand: 27.03.2002

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die innere Uhr
Was lässt uns ticken?

Alles schwingt...
Biologische Rhythmen in der Natur

Warum gibt es biologische Uhren?
Anpassung an eine sich drehende Welt...

Das Rätsel des Heliotrops...
Woher weiß die Pflanze, wo die Sonne steht?

Stabil aber verstellbar...
Welche Eigenschaften hat die innere Uhr?

Wo sitzt die Uhr?
Fische und Vögel geben erste Indizien

Die innere Uhr bei Säugetieren
10.000 Zellen auf einem Stecknadelkopf...

Wie viele Uhren haben wir?
Die Uhr tickt in der Petrischale...

Was lässt uns ticken?
Den Uhren-Genen auf der Spur

Prinzip Rückkopplung
Wie tickt die innere Uhr?

Licht als Zeitgeber
Ein Komplex ist der Schlüssel...

Haupt- und Nebenuhren
Das Problem der Synchronisation

Wenn Schäfchenzählen nichts mehr hilft...
Dem Rätsel des Schlaf-Wach-Rhythmus auf der Spur

Schichtarbeit und Jetlag
Wie überliste ich die innere Uhr?

Lerchen und Eulen
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