2008, ein Labor an der Universität von Newcastle in England. In einer Nährlösung schwimmen winzige weißliche Klumpen, ziemlich unauffällig, mit bloßem Auge kaum sichtbar. Es handelt sich um die Eizellen einer Kuh, nichts Besonderes also. Doch was nun mit ihnen passiert, hat in Großbritannien mehr als zwei Jahre lang für Aufregung und Diskussionen gesorgt und sogar den damaligen britischen Premierminister Gordon Brown ins Wanken gebracht.

Chimären als Stammzell-Lieferanten
Denn Labormitarbeiter entnehmen den Eizellen nun den Zellkern, in dem die Erbinformation der Kuh steckt, und ersetzen ihn durch den Kern einer menschlichen Zelle. Eihülle und Kern verschmelzen, das Produkt der Manipulation ist eine Zelle, die alle Eigenschaften einer normalen menschlichen befruchteten Eizelle aufweist. Sie teilt sich und wird im Laufe weniger Tage zu einem mehrzelligen Embryo. Am sechsten Tag sind in ihrem Inneren embryonale Stammzellen entstanden, das Material, um das es den Forschern hier eigentlich geht. Sie werden aus dem Embryo sorgfältig entnommen, der Restembryo dagegen getötet.
Die noch undifferenzierten Stammzellen gelten als „Alleskönner“, sie können noch sämtliche Gewebetypen des Menschen produzieren und damit möglicherweise zukünftig auch regenerieren helfen. Doch die Gewinnung der Stammzellen aus menschlichen Embryonen ist umstritten und der Vorrat an menschlichen Eizellen knapp. Forscher sind bisher entweder auf überzählige Eizellen aus der Reproduktionsmedizin angewiesen, oder aber auf freiwillige Spenderinnen, die wegen der aufwändigen und unangenehmen Prozedur allerdings Seltenheitswert besitzen.
Die Kuh-Eizellen könnten genau diesen Engpass beheben helfen, so die Hoffnung der Forscher. Denn sie stehen reichlich zur Verfügung. „Wir könnten es vielleicht schaffen, acht bis zehn menschliche Eizellen ausreichender Qualität pro Monat zu bekommen“, erklärt Lyle Armstrong, Projektleiter an der Universität Newcastle. „Aber von der lokalen Fleischindustrie bekommen wir 200 Kuh-Eizellen pro Tag.“ Entsprechend üppig wäre auch die Stammzellenausbeute.