Biomasse gibt es genug auf der Welt, auch wenn sich ihr Potenzial schwer abschätzen lässt. Die Internationale Energieagentur zitiert verschiedene Studien, deren Spektrum von neun bis zu mehr als 360 Billionen Kilowattstunden jährlich reicht. Eine Studie des World Energy Council nennt Biomasse sogar „die potenziell größte und nachhaltigste Energiequelle der Welt“. Allerdings merken die Experten auch an: „Sowohl die Produktion als auch die Nutzung der Biomasse müssen noch modernisiert werden.“
In der Tat ist die heutige Nutzung etwa als Kraftstoff nicht besonders effizient: Wenn man Biodiesel aus Ölfrüchten herstellt, erzeugt man letztlich rund 1.300 Liter Kraftstoff pro Hektar Ackerland, weil man nur die Samen der Pflanzen verwendet. „Würde man eine schnell wachsende Pflanze dort anbauen, etwa Weidenholz, Schilf oder auch nur normalen Wald, und dann den Kraftstoff durch hydrothermale Karbonisierung aus der gesamten Biomasse herstellen, könnte man pro Hektar 14 Kubikmeter Sprit erzielen“, sagt Antonietti.
Das wäre das Zehnfache des oben genannten Werts. Allein in Deutschland fallen nach Schätzungen des Forschungszentrums Karlsruhe jährlich rund 70 Millionen Tonnen organische Trockensubstanz aus biogenen Rest- und Abfallstoffen an. Das würde für unsere Kraftstoffversorgung locker reichen.
Wertvolle Zwischenprodukte
Doch Antoniettis Prozess kann noch mehr: Im Innern des Dampfkochtopfs verwandelt sich nicht Biomasse schlagartig in Kohle, sondern es laufen nach und nach Vorgänge ab, bei denen Zwischenprodukte entstehen. Und die sind mindestens ebenso nützlich wie das Endprodukt Kohlenstoff. Öffnet man das Gefäß schon nach wenigen Minuten, findet man eine Vorstufe zu Erdöl. „Man nimmt vom Zuckermolekül zum Beispiel nur drei, nicht fünf Wasser weg“, erklärt der Forscher. Das jetzige Intermediat ist noch zu reaktiv, aber mit einiger Forschungsarbeit hofft er es so weit zu zähmen, dass „wir auch direkt Öl aus Pflanzenabfällen machen können“.
Ein anderes Zwischenprodukt der hydrothermalen Karbonisierung ist technisch schon weiter ausgereift: Nach der flüssigen Phase entsteht im Innern des Druckgefäßes ein matschiger Feststoff, der nichts anderes ist als das, was wir im Gartencenter als Blumenerde kaufen: Humus. Die Potsdamer Chemiker sind mit ihrem Verfahren tatsächlich in der Lage, aus Pflanzenmaterial mit 100-prozentiger Kohlenstoffeffizienz reinen Mutterboden zu machen. Bei der natürlichen Kompostierung hingegen entstehen im Allgemeinen nur rund zehn Prozent Erde, der Rest entweicht als Methan und Kohlendioxid in die Luft. „Dies ist der wichtigste Prozess in der Natur, bei dem sich Energie verflüchtigt“, erklärt Markus Antonietti.
Stand: 14.07.2006