Die Dresdener Forscher beschreiten einen Weg, der zwar weltweit seit Jahren als Vision beschworen wird, aber bisher aus Mangel an praktischen Möglichkeiten reine Theorie geblieben ist: Sie versuchen, Nanostrukturen von der molekularen Ebene her aufzubauen – bottomup –, und nicht aus makroskopischen Strukturen herunter zu verkleinern – top-down –, wie das bis heute geschieht. Wenn es gelingt, mit molekularen Motoren Maschinen im Nanoformat herzustellen, wäre das wesentlich einfacher und sinnvoller als die heutige Vorgehensweise, bei der in einer Vielzahl mühsamer Fertigungsschritte unter dem Mikroskop auf Halbleiterschichten Strukturen eingebrannt, aufgedampft oder geätzt werden.
„Unsere Idee ist wirklich aufregend, denn die molekularen Maschinen haben eine ganze Reihe von Vorteilen“, sagt Gruppenleiter Stefan Diez. Sie sind robust und winzig klein, weshalb sie hervorragend parallel arbeiten können; sie lassen sich einfach herstellen und gentechnisch modifizieren. Und: „Sie sind extrem kostengünstig. Man erhält zum Beispiel heute bei kommerziellen Anbietern 20 Milliarden Kinesinmotoren schon zum Preis von einem US-Cent.
Wenn die Produktionsmenge steigt, wird das noch billiger.“ Außerdem haben die molekularen Motoren eine hohe Effizienz bei der Energieumwandlung, weil sie chemische Energie ohne Umwege über Wärme oder Strom in Bewegung umsetzen. Alles in allem berauschende Aussichten: Molekulare Sortiermaschinen ließen sich erzeugen, aber auch mehrdimensionale DNA-Schaltkreise, die dadurch entstehen, dass das Genmaterial nach Wunsch geformt und dann metallisiert wird. Zurzeit arbeiten die CBG-Forscher daran, die Grundlagen für eine molekulare Fabrik zu entwickeln: Wie kann beispielsweise ein Filament am Punkt A eine Last aufnehmen, sie auf dem Laufband der Motoren zu einem Punkt B bringen und dort wieder abladen?
Die Forscher erproben zur zeitlichen und räumlichen Kontrolle der kleinen Lastenträger Veränderungen der Oberfläche, chemische, elektrische, magnetische und optische Einflüsse und Kombinationen dieser Methoden. Und sie untersuchen, wie man Lasten auf- und ablädt. Ein Problem konnten die Wissenschaftler bisher aber noch nicht lösen: Wie können molekulare Motoren außerhalb ihrer gewohnten flüssigen Umgebung arbeiten? Hier ist Träumen noch erlaubt: Vielleicht könnte man entsprechend stabile Motoren aus Halobakterien isolieren, die Temperaturen bis 112 Grad Celsius und hohe Salzkonzentrationen aushalten? Oder könnte man die bekannten Motoren gentechnisch so verändern, dass sie auch auf dem Trockenen arbeiten?
Als Fernziel erhoffen sich die Dresdener Forscher, die Designprinzipien der natürlichen Maschinen so genau zu kennen, dass sie nach ihrem Vorbild künstliche molekulare Motoren bauen könnten, die allen Ansprüchen genügen. Die nötige Energie könnten sie zum Beispiel aus der Oberfläche aufnehmen, über die sie laufen. Bisher ist das noch Zukunftsmusik, aber der Weg scheint bereits vorgezeichnet.
Stand: 23.10.2004