Ist es sicher, dass ein Asteroid die Erde treffen wird, dann läuft die Zeit. Denn von der verbleibenden Frist hängt entscheidend ab, ob und wie man die Katastrophe verhindern kann. Je mehr Zeit man noch hat, desto „sanfter“ können dabei die Abwehrmaßnahmen sein.
Schwerkraft als Helfer
Liegt der Einschlag noch Jahrzehnte in der Zukunft und der Asteroid ist nicht gerade ein kilometergroßer Riese von der Größe des „Dinokillers„, dann könnte man die Gravitation für sich arbeiten lassen. Bei dieser Methode des „Gravity Tractor“ schickt man eine möglichst massereiche Raumsonde zum Asteroiden und bringt sie so nah heran wie es geht.
„Dabei entsteht eine Schwerkraftwechselwirkung, die beiden Körper ziehen sich gegenseitig an“, erklärt Asteroidenforscher Alan Harris vom DLR. „Die Raumsonde hat jedoch einen starken Antrieb und hält sich in einem immer gleichen Abstand vom Asteroiden.“ Ihr Schwerkrafteffekt führt so dazu, dass sich Geschwindigkeit oder Orbit des Asteroiden ein winziges Bisschen verändern. Im Laufe der Zeit summiert sich dieser Effekt – und führt im Idealfall dazu, dass der Brocken später haarscharf an der Erde vorbeifliegt, statt sie zu treffen.
Winzige Änderungen reichen
„Bisher existiert diese Methode zwar nur auf dem Papier, aber sie könnte funktionieren“, meint Harris. „Bei ausreichend langer Vorlaufzeit genügen schon Veränderungen der Orbitalgeschwindigkeit von wenigen Zentimeter pro Sekunde, um einen katastrophalen Impakt zu verhindern.“
Und noch einen Vorteil hätte diese „sanfte“ Technik: Sie funktioniert unabhängig von der Beschaffenheit des Asteroiden. Für die Schwerkraftwirkung ist es egal, ob der Brocken aus massivem Metall oder Gestein besteht oder aus porösen, nur lose zusammenhängenden Trümmerbrocken – es zählt nur die Masse. Das bedeutet, dass eine solche Abwehrmission starten könnte, auch ohne dass zuvor die Zusammensetzung genau untersucht werden konnte.
Das Problem der Trägerraketen
Aber die Methode hat – neben der langen Zeit, die benötigt wird – einen weiteren Haken: Damit eine solche Traktor-Raumsonde genügend Anziehungskraft entfaltet, muss sie viel Masse und einen starken Antrieb mitbringen. Die große Masse jedoch erfordert entsprechend leistungsstarke Trägerraketen – und die sind heute eher Mangelware.
Die bisher stärkste Rakete, die Saturn V der Apollo-Missionen, konnte noch eine Nutzlast von gut 45 Tonnen zum Mond transportieren. Doch an ihre Tragkraft reicht keine der heute eingesetzten Trägerraketen heran. Höchstens die zurzeit von Space X entwickelte „Falcon Heavy“ könnte – so sie denn gebaut wird – leistungsstark genug sein.
Für das Masseproblem gäbe es aber noch eine andere Lösung: multiple Traktoren. Dabei werden mehrere kleine statt einer großen Raumsonde zum Asteroiden geschickt. Dort angekommen, platzieren sie sich dann so, dass ihre Anziehung in die gleiche Richtung wirkt und sich dadurch addiert. Ob und wie solche Gravity Tractors eingesetzt werden könnte und welche Massen sie haben müssten, erforscht zurzeit unter anderem das europäische Projekt NEOshield-2.
Nadja Podbregar
Stand: 09.12.2016