Ein Atomkraftwerk abzuschalten, ist weniger einfach als es scheinen mag. Denn mit dem Umlegen eines Schalters ist es noch lange nicht getan. Die Natur der Kernreaktion erfordert stattdessen eine ganze Reihe von sorgfältig abgestimmten Maßnahmen – und einen langen Atem.

Das Problem der Restwärme
Der erste Schritt zum Abschalten ist das Unterbinden der atomaren Kettenreaktion im Reaktorkern. Dies geschieht in der Regel, indem man cadmium- oder borhaltige Kontrollstäbe zwischen die Stäbe mit dem Kernbrennstoff einschiebt. Sie absorbieren die vom Zerfall des Urans freigesetzten Neutronen und verhindern so, dass weitere Zerfallsreaktionen angestoßen werden. Der Reaktor ist damit abgeschaltet.
Das Problem jedoch: Auch ohne laufende Kettenreaktion produzieren die Brennstäbe noch immer Wärme. Sie entsteht nicht durch den Zerfall des eigentlichen Kernbrennstoffs, sondern durch die im Betrieb entstandenen kurzlebigeren Zerfallsprodukte. Dazu gehören vor allem radioaktive Isotope von Iod, Cäsium, Strontium, Xenon und Barium. Ihr Zerfall erzeugt unmittelbar nach Abschalten des Reaktors noch zwischen fünf und zehn Prozent Nachzerfallswärme – bei einem großen Reaktor kann dies nach einem Tag noch 20 Megawatt thermischer Energie entsprechen, nach drei Monaten immerhin noch drei Megawatt.
Vom Reaktorkern ins Abklingbecken
Diese Hitzeentwicklung bedeutet, dass der abgeschaltete Reaktor und auch bereits aus dem Kern entfernte, abgebrannte Brennstäbe noch einige Zeit lang weiter aktiv gekühlt werden müssen. Geschieht dies nicht, können sich die Brennstäbe so stark aufheizen, dass eine Kernschmelze droht. Welche Folgen dies haben kann, demonstrierte 2011 die Atomkatastrophe von Fukushima: Weil durch das Erdbeben und den Tsunami der Kühlkreislauf versagte, kam es im überhitzten Abklingbecken eines der Reaktoren zu einer Explosion und hochradioaktive Gase traten aus.