Von Nanotechnologie hat mehr als die Hälfte der Europäer noch nichts gehört. In Deutschland ist die Informationslage zwar besser, aber selbst hier hat mehr als ein Drittel der Bevölkerung keine Vorstellung von der Nanotechnologie, wie aktuelle Eurobarometerbefragungen zeigen. Immerhin lässt sich für Deutschland beobachten, dass die Einstellung der Verbraucher immer noch mehrheitlich positiv ist – auch wenn zunehmendes Wissen eine größere Differenzierung der Bewertungen je nach Anwendungsbereich bewirkt. Der Anteil derer, die sich mit einer pauschalisierten Bewertung schwertun, ist beträchtlich.
Wie wird sich die öffentliche Meinung entwickeln? Einschlägige Studien zeigen durchgängig, dass mehr Information nicht automatisch mehr Zustimmung bewirkt, sondern eher zu einer Polarisierung von bestehenden positiven oder negativen Einstellungen führt. Solche Studien machen auch immer wieder deutlich, dass das Verhältnis zur Nanotechnologie von sehr vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Bestehende Bedenken kann Kommunikation kaum aus dem Weg räumen, da sie auf grundlegenden Ängsten und Einstellungen der Menschen beruhen. Und diese wiederum haben sich als bemerkenswert stabil erwiesen.
Medienhype und -schelte
Es hat schon mehrere Wellen medialer Aufmerksamkeit gegeben, deren Ausgangspunkt weniger konkrete Gefahren waren als Stellungnahmen und Positionspapiere, in denen diese Gefahren beschworen wurden: So wurde ein Hintergrundpapier Nanotechnik für Mensch und Umwelt des Umweltbundesamts, das im Oktober 2009 erschienen ist, von vielen Medien als Warnung vor der Nanotechnologie interpretiert.
Zum Beispiel hieß es am 21. Oktober 2009 auf Seite 1 der Süddeutschen Zeitung ebenso wie auf Spiegel Online: „Umweltbundesamt warnt vor Nanotechnologie“. Nach ein paar Stunden der Recherche konnte dieses Onlineportal die Sache schon realistischer einschätzen: „Umweltamt relativiert Nano-Warnungen“. In der tageszeitung vom 23. Oktober 2009 brachte es dann ein Bericht des Wissenschaftsjournalisten Niels Boeing auf den Punkt: „Die Nanotechnik birgt einige Risiken. Das allerdings ist seit Langem bekannt und nur die halbe Geschichte.“
Das Sondergutachten Vorsorgestrategien für Nanomaterialien des Sachverständigenrats für Umweltfragen las sich zwei Jahre später ähnlich: Anlass für die Anwendung des Vorsorgeprinzips müsse bereits die vorliegende „abstrakte Besorgnis“ sein. Es wundert da kaum, wenn Ökoverbände nicht nur mehr Transparenz fordern, sondern erst mal Nanomaterialien aus Lebensmitteln und Kosmetik ganz verbannen wollen, bis deren Ungefährlichkeit nachgewiesen ist. So ist die Verwendung von Nanoteilchen in Naturland-zertifizierten Lebensmitteln und Kosmetika verboten.
Wolfgang M. Heckl und Marc-Denis Weitze / MaxPlanckForschung
Stand: 08.11.2013