In und auf unserer Gesichtshaut gedeihen nicht nur Millionen von Bakterien – hier siedelt auch ein Mitbewohner der erheblich größeren Art: die Haarbalgmilbe. Die achtbeinigen Spinnentiere fühlen sich überall dort wohl, wo unsere Haut reichlich mit Talgdrüsen oder Haaren besetzt ist: auf den Wangen, der Stirn, im Nasen und Mundbereich und – besonders begehrt – an den Augenwimpern.
Das Biotop unserer Gesichtshaut teilen gleich zwei verwandte Milbenarten unter sich auf: Die wurmähnlich dünne und langgestreckte Haarbalgmilbe Demodex folliculorum sitzt knapp unter der Hautoberfläche in unseren Haarbälgen, engen Höhlen, in denen die Haarwurzeln entspringen. Ihr etwas rundlicherer Vetter Demodex brevis bevorzugt dagegen die feinen Ausführgänge der Talgdrüsen.
Die Milben gehören eher zu den Stubenhockern unter unseren Untermietern: Tagsüber rühren sich die 0,1 bis 0,4 Millimeter kleinen Milben kaum aus ihren geschützten Behausungen. Während die Haarbalgmilbe dabei allerdings die Geselligkeit liebt – bis zu 25 Milben können sich um eine Haarwurzel drängen – mag es die Talgdrüsenmilbe lieber einzeln.
Beide jedoch speisen am liebsten zu Hause: Das reichhaltige Sekret der Talgdrüsen und das gleichfalls nahrhafte Material der Haarwurzel wachsen ihnen quasi in den Mund. Kein Grund also, das potenziell gefährliche, weil ungeschützt den Kratz- oder Waschattacken des Hauseigentümers ausgesetzte „Draußen“ allzuoft zu frequentieren. Nur nachts, zur Paarung und bei Überfüllung der Wohngemeinschaft, wagen sich die Milben an die Oberfläche und krabbeln zwischen den Wimpern oder auf unseren Augenlidern herum, bis sie eine neue Behausung und einen Partner gefunden haben.
Aber auch wenn diese Vorstellung kaum angenehm ist – schädlich sind diese Milben nicht. Ist unsere Immunabwehr jedoch geschwächt, schafft sie es nicht mehr, die Milbendichte zu regulieren. Die geballten Milbenmassen und ihr Nahrungsbedarf können dann zu Entzündungen der Haarwurzeln oder Talgdrüsen führen. Haarausfall oder Pickel sind die Folge.
Weitaus weniger harmlos jedoch geht es zu, wenn Demodex „Verwandtenbesuch“ bekommt – wenn wir uns durch engen Körperkontakt mit der Krätzemilbe, Sarcoptes scabei, infizieren. Lange Zeit galten die besonders nachts stark juckenden Krätzepusteln als Stigma von Armen, Alten und Obdachlosen, doch seit einigen Jahren breiten sich die Milben auch unter jungen Erwachsenen aller Bevölkerungsschichten aus.
Einmal auf unserer Haut angelangt, sucht sich das Krätzemilbenweibchen eine passende Stelle, die Handgelenke, Ellenbogen, Achseln oder aber die Genitalregion, und gräbt sich dann in die Hornhaut ein. Hier frisst sie sich langsam vorwärts und legt dabei zwei bis drei Eier pro Tag in den entstehenden gewundenen Gang ab. Erst die aus den Eiern geschlüpften Larven wühlen wieder zur Oberfläche durch und lassen die typischen roten Pusteln entstehen.
Abhilfe gegen diese Milbenplage schafft nur eine flächendeckende und mehrfach wiederholte Behandlung mit meist Lindan-haltigen Präparaten. In den letzten zehn Jahren haben sich die Ausgaben für solche Anti-Krätzemittel in Deutschland auf rund sechs Millionen Euro vervierfacht – die Milben sind offensichtlich auf dem Vormarsch…
Stand: 13.03.2003