Indianer – egal ob in Nord- oder Südamerika – bilden eine in vielen Aspekten geheimnisvolle Völkergruppe. Es gab und gibt zahllose Mythen und Riten, die sich von Stamm zu Stamm und von Land zu Land unterscheiden. Eine Gemeinsamkeit, die alle Indianerkulturen verbindet, ist aber ihr Verhältnis zu Natur und Umwelt. Natur und spirituelle Energien waren und sind teilweise bis heute für viele Indianer untrennbar miteinander verbunden. Alles vom Schöpfer Erschaffene besitzt demnach eine Seele. Ob Tier, Pflanze, Stein oder Boden, ob belebt oder unbelebt – der Geist wohnt in allem. Jedes Wesen ist wiederum abhängig von anderen Seelen und Bestandteil der Natur. Dadurch ist, so der traditionelle Glaube, alles irgendwie miteinander verwandt und verbunden.
Mutter Erde
Das Zentrum ist jedoch die „Mutter Erde“. Sie ist der Überlieferung nach Ursprung und Mittelpunkt des ewigen Kreislaufs von Zeugung, Geburt, Tod und Regeneration. Die Menschen werden aus der Erde geboren und kehren früher oder später auch wieder zu ihr zurück. Jedes Geschöpf muss – so die indianische Sichtweise – diesen Zyklus durchlaufen. Die Erde fungiert dabei als eine Art „Gastgeber“ der Menschheit – sie schenkt uns das Leben. Wir sind hier folglich nur zu Besuch und müssen uns dementsprechend verhalten und die Erde mit Respekt behandeln. Nach der Philosophie der Indianer teilen sich alle Lebewesen den blauen Planeten, jeder ist jedem gegenüber verantwortlich und keiner ist dem anderen übergeordnet.
Zu Beginn des 19. Jahrhundert sagte „Großer Donner“ (Bedagi), ein berühmter Redner der Wabanaki, über die Beziehung von Natur, Geburt und Tod: „Der Große Geist ist unser Vater, die Erde aber ist unsere Mutter. Sie nährt uns. Was wir in den Boden geben, gibt sie uns zurück, und auch die heilenden Pflanzen verdanken wir ihr. Wenn wir verwundet sind, gehen wir zu unserer Mutter und legen die Wunde an sie, um geheilt zu werden.“
Rolle der Tiere
Tiere spielen in der indianischen Tradition eine besondere Rolle. Sie opfern sich als Nahrung und Kleidung der Menschen und werden traditionell deshalb sehr geachtet und verehrt. Einige Völker glauben sogar, dass Tiere die Welt erschaffen haben. Ein Erdtaucher, eine Schildkröte oder ein anderes kleines Lebewesen soll danach hinab in die Tiefen der urzeitlichen Gewässer getaucht sein und einen Lehmklumpen mit an die Oberfläche gebracht haben, aus dem dann das Land geformt wurde.