Der Artikel von Paul Crutzen löste ein großes wissenschaftliches Interesse am Climate-Engineering aus. Als Expertinnen für die Simulation von Schwefelwolken aus Vulkaneruptionen und deren Klimawirkung waren auch Ulrike Niemeier und ihre Kollegin Claudia Timmreck gefragt. Damals hatten sie gerade ein einzigartiges Simulations-Werkzeug entwickelt, ein stratosphärisches Aerosolmodell, mit dem sich die Wirkung des Schwefeldioxids beziehungsweise der Sulfatpartikel in der Stratosphäre berechnen ließ.
Mit Aerosolen werden wenige Nanometer bis mehrere Mikrometer kleine Partikel bezeichnet, die so leicht sind, dass sie – einmal aufgewirbelt – kaum mehr zu Boden sinken. Auch die Sulfatpartikel in der Stratosphäre zählen zu den Aerosolen. Ulrike Niemeier konnte mit ihrem Modell berechnen, wie schnell und effizient sich aus Schwefeldioxid kleine Sulfatpartikel bilden – und auch, wie schnell sie wieder verschwinden, weil sie nach und nach miteinander verklumpen und aus der Stratosphäre absinken.
In der Theorie wirksam…
„Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen haben wir damals versucht die Frage zu beantworten, ob man das Aufheizen der Erde durch den Klimawandel mit Schwefeldioxid theoretisch kompensieren könnte“, sagt Niemeier. Die Studien waren Teil eines großen, von ihrem Kollegen Hauke Schmidt geleiteten EU-Projekts namens Implicc, das „Bedeutung und Risiken von neuen Optionen zur Begrenzung des Klimawandels“ untersuchte.
Die Ergebnisse waren eindeutig – und wurden ähnlich wie Crutzens Fachartikel kontrovers diskutiert: Ja, tatsächlich könnte man die Erderwärmung kompensieren. Das wäre sogar beim schlimmsten Szenario des Weltklimarates IPCC möglich, dem RCP8.5. Bei diesem Business-as-usual-Szenario steigen die CO2-Emssionen auch in den nächsten Jahrzehnten immer weiter an. Mit Schwefeldioxid-Injektionen im großen Stil könne man das Temperaturniveau des Jahres 2020 halten, errechneten die Implicc-Partner. „Das Klima würde im weltweiten Durchschnitt milder bleiben“, sagt Ulrike Niemeier. „Allerdings würde es im globalen Mittel etwas weniger regnen.“
…aber wäre es auch umsetzbar?
Doch in der Praxis dürfte das schwierig werden. „Wenn wir bis zum Jahr 2100 trotz steigender CO2-Emissionen das Klima von 2020 allein mithilfe von Schwefeldioxid halten wollten, müsste die Menschheit jährlich fünf bis achtmal so viel Schwefeldioxid in die Stratosphäre bringen, wie 1991 beim Ausbruch des Pinatubo frei wurde“, sagt sie. Das wäre aberwitzig.
Eine japanische Forschergruppe kam zu ähnlichen Ergebnissen und hat errechnet, dass täglich 6.700 Flugzeuge Schwefeldioxid in der Stratosphäre verteilen müssten, um die Erderwärmung um ein einziges Grad Celsius zu senken. Zum Vergleich: am Londoner Flughafen Heathrow gibt es in Spitzenzeiten rund 1.200 Starts pro Tag.