Der Film, der bei den zwei Jahre dauernden Dreharbeiten entstand und der bereits die US-Zuschauer in seinen Bann zog, lässt nichts erahnen von den Strapazen. Er wirkt leicht, ja fast beschaulich: Junge Schimpansen jagen, kitzeln und kraulen sich. Sie dösen auf dem Waldboden. Sie schlagen sich beim Versuch, eine Pandanuss zu knacken, auf die Finger. Die erwachsenen Tiere zeigen ihrem Nachwuchs, wie er am besten Eier von Treiberameisen aus dem Bau fischt oder Parinari-Früchte zwischen den Lippen zu einem weichen Brei verwandelt.
Ein eigentlich unmöglicher Kampf
Und natürlich ist da der – weniger wissenschaftliche, aber sehr filmtaugliche – Kampf zwischen den „Guten“, der Gruppe um Alphamännchen Freddy, und den „Bösen“, der rivalisierenden Gruppe um Scar (Narbe). „Dieser Kampf hat so nie stattgefunden. Die Gruppen konnten gar nicht aufeinander stoßen“, plaudert Deschner aus dem Nähkästchen. Während Freddys Gruppe im Taï-Nationalpark beheimatet sei, lebe die Bande von Scar in Ngogo im Kibale-Nationalpark in Uganda.
Der eigentliche Star des Films ist jedoch Oscar. Der kleine Schimpansenjunge verliert im Film seine Mutter Isha, die von einem Leoparden getötet wird. In Freddy jedoch, dem Alphamännchen, findet er einen starken Beschützer, der ihm hilft, im Dschungel zu überleben. Im Taï-Nationalpark haben Christophe Boesch und sein Team bereits 18 vergleichbare Adoptionen von Jungtieren beobachtet. Zwei Mütter mit noch saugendem Nachwuchs adoptierten noch ein zweites Kind, obwohl eine mit ihrem eigenen völlig ausgelastet war. Rund die Hälfte aller Adoptionen ging jedoch auf das Konto von Männchen.
Machos mit Väterqualitäten
Dass sich ein derartig spektakulärer Fall vor laufender Kamera ereignete, gehört zu den ganz besonderen Momenten jedes Regisseurs. „Männliche Schimpansen sind meistens ziemliche Machos, die sich oft nicht besonders um ihren eigenen Nachwuchs kümmern“, sagt Deschner. Doch im Taï-Nationalpark werden sie in ihrer Rolle als Adoptivväter erstaunlich fürsorglich: Sie tragen die kleinen Affen auf ihrem Rücken, pflegen deren Fell, versorgen sie mit Nahrung.
Tobias Deschner ist immer wieder überrascht, wie wenig Menschen über das Leben ihrer nächsten Verwandten wissen. Zum Beispiel, wie komplex ihr Sozialleben ist, wie kooperativ sich Schimpansen verhalten. „Wir erleben diese wunderbaren Tiere meist nur im Zoo.“ Deshalb ist Deschner froh, dass der Film nun in die deutschen Kinos kommt – und das Leben von Schimpansen im Freiland zeigt: „Ich hoffe sehr, dass sich die Zuschauer mit den Tieren verbunden fühlen und uns helfen, diese bedrohte Art zu schützen.“
Barbara Abrell / Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Stand: 03.05.2013