Afrikas Flamingo Fabrik: So nennt die Vogelschutzorganisation Birdlife den Lake Natron in Tansania. Und das nicht zu unrecht. Denn schon aus der Luft sind die zum Teil gewaltigen Ansammlungen von Zwergflamingos am See leicht zu erkennen. Wie ein überdimensionales rosafarbenes Band zieren sie häufig die Ufer und die Flachwasserbereiche. Erstaunliche 2,5 bis drei Millionen Vögel der Art Phoeniconaias minor leben und fressen hier. Ein Großteil der gesamten weltweiten Population.
Viel Salz und hoher pH-Wert
Der Natronsee ist zudem das einzige Gebiet in Afrika, wo die Zwergflamingos regelmäßig Jahr für Jahr brüten. Anschließend brechen hunderttausende von ihnen zu einer Wanderung zu ähnlichen Seen wie Nakuru oder Bogoria in Kenia auf. Dort bleiben sie manchmal wochen- oder monatelang, um sich dann zur Balz und zur Fortpflanzung doch wieder am Lake Natron einzufinden.
Dessen Wasser ist nicht nur extrem salzig, sondern besitzt auch einen enorm hohen pH-Wert von 9 bis 10,5, damit ist es stark alkalisch. Zum Vergleich: der pH-Wert von normalem Wasser liegt bei 7. Der hohe pH-Wert beruht nicht nur auf den hohen Verdunstungsraten in dem abflusslosen See, dies hat auch noch andere Ursachen. So stammen Salze wie Natriumkarbonat und Natriumhydrogencarbonat wenigstens zum Teil aus den zahlreichen heißen Quellen und Geysiren am Boden des Lake Natron. Ein anderer Lieferant ist der noch immer aktive Vulkan Oldoinyo Lengai. Genauer gesagt seine Lava, die weltweit einzigartig ist und beispielsweise große Mengen an Kalium- und Natriumkarbonat enthält.
Platten aus Sodasalz
Wie das Karbonat in den See gelangt, beschreiben Bernhard Edmaier und Klaus Jacobu in einem Beitrag für „ Bild der Wissenschaft“ so: „Wenn das Gestein erkaltet ist, löst Regen das Karbonat heraus und schwemmt es in den Natronsee am Fuß des Oldoinyo Lengai. Wegen der hohen Verdunstung wird der Mineraliengehalt im Wasser manchmal so hoch, dass sich Platten aus Sodasalz bilden und wie Fettaugen über den See treiben.“ Und auch das freie Wasser ist so reich an gelöstem Salz, dass es sich beinahe dickflüssig anfühlt.
Kurioserweise sind diese extremen Bedingungen kein Hemmschuh für den Flamingo-Boom am Lake Natron, sondern sogar seiner Grundlage. Denn in dem salzigen und alkalischen Milieu fühlt sich Arthrospira, ein Cyanobakterium, pudelwohl. Es kommt in Massen im Plankton des Sees vor. Der Clou an der Sache: Arthrospira ist wiederum die wichtigste, wenn auch nicht die einzige Nahrung für den Zwergflamingo.
Flamingos in Gefahr
Doch nicht nur Futter gibt es am Lake Natron reichlich für die Flamingos, auch Nistplätze sind keine Seltenheit. „Die Nester der Zwergflamingos bestehen aus einem, aus Schlamm angehäuften, etwa vierzig Zentimeter hohen Kegelstumpf, der oben eine flache Mulde aufweist“, berichtet Markus Kappeler in einem Beitrag für die WWF Conservation Stamp Collection. Perfekte Bedingungen für eine Brut gibt es vor allem auf einigen Inseln des 600 Quadratkilometer großen Sees, wo dann auch schon mal 150.000 Paare oder mehr zur Fortpflanzung und zur Aufzucht der Jungen zusammen kommen können.
Ein weiterer Vorteil für die Zwergflamingos am Lake Natron ist seine Abgeschiedenheit. In der nur dünn besiedelten Region sind die Vögel weitgehend sicher vor Fressfeinden und müssen auch kaum Störungen durch den Menschen fürchten. Zumindest war das so bis zum Jahr 2007. Denn da kamen erstmals Pläne auf den Tisch, die die Situation am Natronsee entscheidend verändern könnten.
Dieter Lohmann
Stand: 11.02.2011