Rund 100 Millionen Tonnen Erdöl lagern unter der ehemaligen Sandbank Mittelplate in der Nordsee, 13,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas sind es im Erdgasfeld A6/B4 – mindestens. Doch mit welcher Technik spüren Wissenschaftler solche massiven Vorkommen an Kohlenwasserstoffen auf, die zum Teil Tausende von Metern tief versteckt im Boden schlummern?
Die Suche nach den kostbaren Bodenschätzen gleicht im 21. Jahrhundert einer Detektivarbeit. Am Anfang steht eine Art Verdacht, den Wissenschaftler nach Untersuchung der Geologie des Untergrunds äußern. Erhärtet wird diese meist noch relativ vage Prognose durch die 3D-Seismik – einem Verfahren, das auf der Analyse des Erdinneren mithilfe von Schallwellen beruht. Die Methode wurde zu Beginn der 1990er Jahre entwickelt und ermittelt die geologische Struktur der potenziellen Lagerstätte.
Vibro Trucks und „Air guns“
Um die notwendigen Schallwellen zu erzeugen, setzen die Fachleute an Land gezielte Sprengungen oder spezielle Fahrzeuge, so genannte „Vibro Trucks“, ein. Auf dem Meer sind es Schiffe mit einer „Air gun“ im Schlepptau, die pulsierend komprimierte Luft Richtung Meeresboden schicken.
Die so produzierten Schallwellen wandern durch den Boden und werden je nach Dichte der Schichten und der Beschaffenheit des Gesteins unterschiedlich reflektiert. An der Erdoberfläche erlauschen die empfindlichen Sensoren von so genannten Geophonen die zurückkommenden Signale und ermitteln die Zeit, die die Schallwellen für ihren Weg durch den Untergrund benötigt haben.
„Das besondere an der 3D-Seismik im Vergleich zu ähnlich arbeitenden früheren 2D-Techniken ist, dass man eine hohe Anzahl an Messpunkten hat, die später im Computer gemeinsam ausgewertet werden. Auf dies Weise wird eine 3D-Darstellung erzeugt, die dann bei der Interpretation sehr viel mehr Möglichkeiten bietet“, erläutert Peter Gerling, Rohstoffexperte bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.
Die Analyse der so gewonnenen Daten ist Sache von Geowissenschaftlern und Ingenieuren. Mit speziell dafür entwickelten Computerprogrammen deuten und bewerten sie das Rohmaterial und gewinnen so ein detailliertes Bild von der Situation im Untergrund.
Die 3D-Seismik liefert beispielsweise Aufschluss darüber, wie wahrscheinlich und wie mächtig eine Lagerstätte im Untergrund ist oder ob in unmittelbarer Nähe zur Lagerstätte vielleicht noch weitere ergiebige Vorkommen existieren könnten.
Virtuelle Reise in die Tiefe
Auch aufwändige Computersimulationen helfen den Forschern und Technikern dabei, mögliche Lagerstätten zu entdecken oder einzugrenzen. Sie rekonstruieren die Geschichte der Lagerstätte über zum Teil mehrere hundert Millionen Jahre. Manchmal können die Teams anhand dieses Blicks in die Vergangenheit sogar bereits die chemischen Details der potentiellen unterirdischen Öl- oder Gasfelder prognostizieren.
Mithilfe von 3D-Brillen reisen die Experten dabei „virtuell zu den aussichtsreichen Lagerstätten in tausenden Metern Tiefe. Selbst die entlegensten Vorkommen können hier simuliert und in ihrer räumlichen Ausdehnung begutachtet werden“, wie die Wintershall AG berichtet. Was sich wie Science-Fiction oder spektakuläres Hollywood-Kino anhört, ist im 3-D-Raum in Kassel längst Realität. Hier entwickeln die Forscher auf diese Weise unter anderem Pläne für neue Bohrungen.
Erst die Probebohrung liefert Gewissheit
All diese Untersuchungen liefern zwar eindeutige Indizien, aber fehlerfrei sind auch diese Prognosen nicht. Die Gewissheit, dass sich im Untergrund ein lukrative Lagerstätte befindet, bringt letztlich nur eine Probebohrung. Doch diese ist aufwändig und teuer und die Erdöl- und Erdgasfirmen überlegen es sich zweimal, bevor sie ein solches Unterfangen in Angriff nehmen. Trotzdem haben die heimischen „Rohstoffbarone“ nicht immer so viel Glück wie beim Erdgasfeld A6/B4 oder der Mittelplate. In durchschnittlich zwei von drei Fällen ziehen sie bei der Bohrung nach Erdöl- und Erdgas auch heute noch eine Niete.
So geschehen am Erdgasbohrplatz Rheiderland westlich von Bunderhee im Lankreis Leer. Mit großem Aufwand hatte man dort im September 2003 einen Bohrturm errichtet, weil Geologen in Gesteinsschichten von mehr als 3.800 Metern Tiefe ein viel versprechendes Erdgasvorkommen vermuteten.
Eine Probebohrung und die anschließende Analyse der Bohrkerne brachte jedoch ein deprimierendes Ergebnis: Kein Rohstofflager weit und breit. Der daraus resultierende Verlust für die beteiligten Firmen belief sich auf bis zu zehn Millionen Euro.
Stand: 24.06.2005