Wenn andere Bärenarten wie Braun- und Schwarzbär oder Kodiak sich langsam in Winterruhe begeben und die Kälte verschlafen, wird der Eisbär in den Polarregionen Nordamerikas und Sibiriens erst richtig aktiv. Im Winter, wenn das Packeis wächst, und als fast geschlossene Eisdecke die Meeresküsten bedeckt, ist für den arktischen Räuber Jagdsaison.
Eis macht Jagd auf Robben chancenreicher
Im Gegensatz zu Wolf, Vielfraß und Hermelin jagt er keine Landtiere, sondern die im Wasser lebenden Robben. Obwohl der Eisbär ein so guter Schwimmer ist, dass er in den USA juristisch als „Wassertier“ gilt, hat er im Sommer, wenn die Robben sich fast ausschließlich im Wasser aufhalten, kaum eine Chance, sie zu erwischen. Im Winter allerdings, wenn die Eisdecke nur noch wenige Luftlöcher freilässt, sind die luftatmenden Robben gezwungen, genau an diesen Stellen aufzutauchen. Der Eisbär liegt dann oft stundenlang fast bewegungslos vor einem solchen Eisloch auf der Lauer. Taucht eine Robbe auf, packt er sie mit seiner Pranke und zieht sie aufs Eis. In fast achtzig Prozent der Fälle hat der Bär mit dieser energiesparenden Methode Erfolg.
Wenn im Sommer das Eis schmilzt, verlegen die Bären ihr Jagdrevier noch weiter in den Norden. Nur die Eisbärpopulation, die in den südlichsten Verbreitungsgebieten, an den Ufern der Hudson Bay, lebt, bleibt auch nach der Eisschmelze dort. Immer im Gefolge seiner Beute, den Robben, wandert der Eisbär im Laufe eines Jahres bis zu 1.000 Kilometer. An einem Tag kann er bis zu 150 Kilometern zurücklegen. Schwimmend zeigt der arktische Räuber zwar keine große Schnelligkeit, dafür aber um so mehr Ausdauer: 300 Kilometer ohne Unterbrechung sind keine Seltenheit.
Als reiner Fleischfresser ist der Eisbär viel stärker von seiner Beute abhängig als zum Beispiel der Allesfresser Braunbär. Gerade im Sommer muss er deshalb manchmal tage- oder sogar monatelang ohne Beute auskommen. Bei einem Lebensraum, in dem die Temperaturen selbst im Sommer kaum über den Gefrierpunkt steigen, ist ein Überleben solcher Hungerperioden ohne besondere Strategien fast unmöglich. Während Braunbären ohne Nahrung schnell verhungern, kann der Eisbär in beutelosen Zeiten seinen Stoffwechsel relativ kurzfristig auf „Sparflamme“ schalten.
Isolation durch Fett und Pelz
In einer Art Ruhezustand, aber ohne richtig zu schlafen, warten die Bären auf die nächste Beute. Ihre Körpertemperatur können sie dabei mit nur geringen Energieverlusten stabil halten: Die gut zehn Zentimeter dicke Fettschicht und der dichte Pelz isolieren so gut gegen die Kälte, dass sie mit Infrarot-Kameras nicht zu orten sind. Eine ölige Schicht macht die hohlen, wärmedämmenden Haare des Fells zusätzlich wasserabweisend. Die einzige Körperwärme, die nach außen dringt und deshalb im Infrarotbild erscheint, stammt aus der Atemwolke des Eisbären – nur ein winziger Wärmepunkt in der Kältewüste der Arktis.
Ein Nachteil der dichten Isolierung: Da Bären keine Schweißdrüsen besitzen, können sie überschüssige Wärme nur über Hecheln loswerden. Schon bei einem kurzen „Bärengalopp“ droht ihnen daher Überhitzung. Schnell steigt die Körpertemperatur um zwei Grad an, sie verbrennen während dieses „Fiebers“ doppelt soviel Energie wie andere Säuger. Obwohl die bis zu 600 Kilogramm schweren Eisbärmännchen und etwa halb so schweren Weibchen allen anderen arktischen Landraubtieren an Kraft überlegen sind, haben sie bei der Jagd auf schnelle Beutetiere wie Schneegänse, Karibus oder Moschusochsen fast nie Erfolg – ihnen geht schon nach kurzer Zeit des Verfolgens die Luft aus.
Paarung nach dem Zufallsprinzip
Da die Eisbären fast das ganze Jahr alleine umher wandern, ist es eher Zufall, wenn sich doch einmal ein Eisbärweibchen und ein Männchen begegnen und es zu Paarung kommt. Angepasst an dieses Phänomen hat die Eisbärin keinen spontanen Eisprung, sondern kann ihn nach einer Paarung bis zu einem halben Jahr hinauszögern. In dieser Zeit frisst sie sich zusätzliche Nahrungsreserven an, um für die Zeit nach der Geburt der ein bis drei Jungen gerüstet zu sein. Im Durchschnitt alle drei Jahre zieht sich ein Eisbärweibchen im Spätherbst für sechs bis sieben Monate in eine Schneehöhle zurück, bringt dort ihren Nachwuchs zur Welt und säugt sie. Erst im nächsten Frühjahr kommt sie – stark abgemagert- wieder ins Freie und geht gemeinsam mit ihren Jungen auf Robbenjagd.
Noch Mitte unseres Jahrhunderts standen die arktischen Riesen kurz vor dem Aussterben, im Jahr 1966 gab es nur noch etwa 10.000 Exemplare. Inzwischen haben über 60 Nationen das „Washingtoner Artenschutzabkommen“ ratifiziert, das auch den Eisbären unter Schutz stellt. Da die Bären keine natürlichen Feinde haben, haben sich ihre Bestände seitdem nicht nur erholt, sie haben auch keine Scheu vor menschlichen Behausungen. In einigen entlegenen Orten Alaskas und Nordkanadas wird in den Wintermonaten regelmäßig Eisbärenalarm gegeben, eine eigene „Eisbärpolizei“ warnt die Bevölkerung, wenn wieder einmal Bären auf der Suche nach Fressbarem den Ort durchstreifen.
Nadja Podbregar
Stand: 03.02.2012