Bei der Bewertung der potenziellen Allergenität gentechnisch veränderter Lebensmittel analysieren die Wissenschaftler vor allem drei Faktoren: Zum einen den Spenderorganismus als Quelle des eingebrachten Gens, zum anderen vergleichen sie das neue Protein mit bekannten Allergenen und zum dritten testen sie die IgE-Reaktivitäten mit Seren von Allergikern. Als weitere Parameter zur Bewertung der allergenen Potenz können eine Resistenz gegenüber dem Verdauungsenzym Pepsin oder die Induktion von IgEAntikörpern in Tieren herangezogen werden.
Zunächst prüfen die Forscher, ob das Strukturgen, das zur Produktion eines neuen oder veränderten Proteins in eine Pflanze eingeführt werden soll, einer bereits bekannten Allergenquelle – etwa der Paranuss – entstammt. Danach richtet sich die weitere Vorgehensweise. Ist der Spenderorganismus eine bekannte Allergenquelle, so werden die Sequenzen verglichen und, falls das Protein noch nicht als Allergen beschrieben ist, mit Seren von Personen, die gegen den Spenderorganismus allergisch sind, auf seine IgE-bindenden Eigenschaften untersucht. Für Hersteller transgener Organismen stellt eine allergene Genquelle ein Ausschlusskriterium dar, so dass dieser „einfache“ Fall in der Praxis nur selten vorkommt.
Vergleich der Aminosäuresequenzen
Auf Grund von Sequenzähnlichkeiten mit bekannten Allergenen versuchen die Forscher auf die mögliche Allergenität des fraglichen Proteins zu schließen. Sind diese groß, kann zumindest eine teilweise strukturelle und immunologische Ähnlichkeit vermutet werden. Aber ganz si einfach ist auch das nicht: Denn Antikörper erkennen ein Protein nicht als Ganzes, sondern immer nur Teilbereiche davon. Diese als Epitope bezeichnete Bindungsstellen sind quasi die Schnittstellen von Antigenstruktur und Immunsystem und in der Regel räumlich im Protein verteilt.
Für die Allergenität eines Proteins sind die IgE-bindenden Epitope verantwortlich, die sich aus sechs bis etwa zwanzig Aminosäureresten zusammensetzen. Die Aminosäurereste müssen nicht unbedingt linear aufeinander folgen wie bei den so genannten kontinuierlichen Epitopen, sondern können auch voneinander getrennt in der Proteinsequenz lokalisiert sein (diskontinuierliche Epitope).
Risikofaktoren nicht komplett erfasst
Für die Bewertung allergologisch unbekannter Proteine ergibt sich hieraus für die Wissenschaftler ein Dilemma: Beim Vergleich von Aminosäuresequenzen werden diskontinuierliche Epitope und solche, die auf eine natürliche Konformation des Gesamt- proteins angewiesen sind, nicht erfasst. Gleiches gilt auch für allergene Strukturen, die durch Veränderungen nach der Ablesung des Gensequenz, wie zum Beispiel durch Anheftung von Zuckermolekülen, gebildet werden. Bestimmte Untergruppen von Allergikern produzieren beispielsweise allergenspezifische IgE-Antikörper, die an so genannte kreuzreagierende Kohlenhydrat-Determinanten binden. Solche potenziell allergenen Epitope können die Wissenschaftler durch Sequenzvergleiche nicht identifizieren – ihr Risiko bleibt daher unerkannt.
Stand: 07.10.2005