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Wie LSD das Bewusstsein verändert

Die psychedelische Droge LSD greift durch ihre Ähnlichkeit mit dem Hirnbotenstoff Serotonin tief in die Vorgänge des Gehirns ein. Durch die Übererregung der Neuronen erscheinen nicht nur Sinneseindrücke intensiver oder werden aus dem Nichts heraufbeschworen.

WAhrnehmung
LSD verändert die Wahrnehmung. © Isaac Bowen/ freeimages

Äußere Reize verändert

Das Halluzinogen LSD verändert auch die Bewertung äußerer Reize, wie Forschende um Katrin Preller von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich im Jahr 2017 herausgefunden haben. Für ihre Studie ließen sie Testpersonen vor und nach der Einnahme von LSD 30 Musikstücke als persönlich bedeutend oder unwichtig kategorisieren und verglichen die Angaben mit denen einer Kontrollgruppe.

Das Ergebnis: Die Probanden, die LSD eingenommen hatten, ordneten vielen vorher als unbedeutend eingestuften Musikstücken unter Drogeneinfluss plötzlich eine hohe persönliche Bedeutung zu. Preller und ihr Team führen solche überhöhten Bedeutungszuschreibungen auf ein gestörtes Netzwerk, die sogenannten kortikalen Mittelhirnstrukturen, zurück. „LSD scheint genau auf dieses Netzwerk einzuwirken und das Bedeutungserleben zu beeinflussen“, so die Forscherin.

Zudem konnte das Team mithilfe funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) zeigen, dass Testpersonen, bei denen vor der LSD-Einnahme der Serotonin 2A-Rezeptor blockiert wurde, vorher nicht relevanten Reizen weiterhin keine Bedeutung zumaßen. Damit scheint der Serotonin-2A-Rezeptor eine Schlüsselrolle für diese LSD-Wirkung zu spielen.

Zusätzlich soll LSD zumindest teilweise auch an Dopamin-Rezeptoren binden: Dopamin gilt als „Glücks-Hormon“, weil es unter anderem auf unser Belohnungssystem wirkt und Glücksgefühle auslösen kann. Sorgt LSD nun dafür, dass die Dopamin-Rezeptoren längerfristig aktiviert werden, folgen bei den Betroffenen anhaltende Euphorie und Selbstüberschätzung.

Gehirn im kindlichen Zustand

Wie das LSD die Funktionalität des Gehirns beeinflusst, haben Forscher um Robin Carhart-Harris vom Imperial College in London untersucht. Sie verabreichten dafür 20 gesunden Probanden 75 Mikrogramm der Droge und hielten die Reaktionen in deren Gehirn mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) fest. Um die Ergebnisse mit dem Normalzustand vergleichen zu können, bekamen die Probanden an einem Testtag statt LSD ein Placebo.

Die Hirnscans zeigten, dass unser Gehirn unter LSD-Einfluss neue und teils ungewöhnliche Verknüpfungen herstellt. So führt LSD dazu, dass neben den normalerweise an der Verarbeitung von Sehreizen beteiligten Hirnarealen auch andere Hirnregionen zur visuellen Verarbeitung beitragen. Je traumähnlicher den Konsumenten ihr Erleben dabei schien, desto mehr Hirnregionen beteiligten sich an der visuellen Wahrnehmung.

Berichteten die Probanden von extremen Bewusstseinsveränderungen, zeigten sich zusätzlich weitere unübliche Vernetzungen von Hirnstrukturen „Normalerweise besteht unser Gehirn aus voneinander unabhängigen Netzwerken, die für spezielle Funktionen zuständig sind – zum Beispiel für Sehen, Bewegung, Hören oder komplexere Dinge wie Aufmerksamkeit“, erklärte Carhart-Harris. „LSD löst diese Trennung der einzelnen Netzwerke jedoch auf.“ Unter LSD werde das Gehirn zu einer Einheit. Damit ähnelt es dem Gehirn eines Kindes, so die Forscher.

Filterfunktion des Thalamus gestört

Die Wissenschaftler um Katrin Preller haben im Jahr 2019 eine weitere neuronale Veränderung durch die Einnahme von LSD entdeckt: Mithilfe einer speziellen computergestützten Methode hatte das Team die Wirkung des Psychedelikums im Gehirn an 25 gesunden Probanden getestet.

Dabei fiel auf: Der Thalamus, der im Zwischenhirn nahezu alle Sinneseindrücke sammelt und gefiltert an die Großhirnrinde weiterleitet, verlor unter dem Einfluss psychedelischer Substanzen seine Filter- und Schutzfunktion. So lieferte er dem Kortex eine deutlich größere Menge an Informationen. Auslöser dafür war, dass eine Kette von Nervenzellen zwischen Thalamus und Großhirnrinde verändert arbeiteten. Dahinter stecken sogenannte cortico-striato-thalamo-corticale (CSTC)-Regelkreise, die für die Auswahl wichtiger und weniger relevanter Reize für den Kortex verantwortlich sind.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Psychedelika – LSD, Mescalin, Pilze und Co.
Rauschmittel mit medizinischer Bedeutung?

Rauschmittel mit Tradition
Psychedelische Substanzen gestern und heute

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Der Klassiker unter den Psychedelika

Alles erscheint bedeutsamer
Wie LSD das Bewusstsein verändert

Magische Pilze und Lianen-Drogen
Wie Psilocybin und DMT wirken

Mescalin, MDMA und Ketamin
Weitere Halluzinogene und ihre Wirkweise

Renaissance von LSD und Co?
Psychedelika und ihre medizinische Bedeutung

Zu Risiken und Nebenwirkungen…
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